Kulturschock in Delhi

Unser zweiter Tag in Delhi: Hakenkreuze im Hindutempel, Aliens in der Moschee und ein größenwahnsinniges Grab. Außerdem: ein Bericht über die fiesen Methoden der indischen Taxifahrer mit Gegenmaßnahmen.

Hakenkreuze im Birla Mandir

Nach einem reichhaltigen Frühstück mit leckerem Poha (das ist plattgeklopfter Reis mit Gewürzen und gerösteten Erdnüssen) machten wir uns mit frisch geputzten Schuhen auf den Weg zum Birla Mandir. Dieser Hindutempel wurde 1939 von Mahatma Gandhi unter der Bedingung eingeweiht, dass Menschen jeder Religion und aus allen Kasten ihn besuchen dürfen. Sehr löblich und damals überhaupt nicht selbstverständlich.

Birla Mandir Hindutempel
Birla Mandir

Von außen sieht der Tempel mit seiner gelben Fassade und den rostroten Türmchen ganz ansprechend aus. Die Innenräume sind auf den ersten Blick ziemlich schockierend: überall hängen Hakenkreuze an den Wänden. Das wirkt erstmal ziemlich befremdlich, aber die Swastika ist seit Jahrtausenden in der hinduistischen Mythologie ein Symbol für Glück, lange bevor die Nazis es für ihre Propaganda missbrauchten. Im Inneren des Tempels herrschte schon wieder strenges Fotografierverbot und diesmal fand ich kein Fotoarchiv auf der Website. Ist vielleicht auch besser so, denn Fotos mit Hakenkreuzen führen schnell zur Sperrung eines eigentlich harmlosen Blogs.

Aliens in der Jama Masjid

Mit der Metro fuhren wir zur Jama Masjid, der größten Moschee Indiens, in der mehr als 25.000 Gläubige Platz finden. Um zum Eingang zu gelangen, muss man sich aber erstmal durch einen riesigen Markt wühlen, auf dem sich so viele Menschen drängen, dass es immer wieder zu Rangeleien um die letzten Sauerstoffatome in der Atemluft kommt. Delhi hatte sich schon 2014 den Titel der Stadt mit der größten Luftverschmutzung der Welt erkämpft und diese Gegend war die Mutter der verpesteten Luft.

Markt vor Jama Masjid
Wimmelbild

Die Willkommenskultur in dieser Moschee war etwas sonderbar: ein Uniformierter bedrohte die SinnlosReisende zur Begrüßung mit einem Rohrstock. Sie hatte es gewagt, schon mal auf das Eingangstor zuzugehen, während ich noch am Ticketschalter stand. Als sie auf das dünne Männlein herabschaute, das laut zeternd in einer unverständlichen Sprache auf sie einschimpfte, bildete sich auf ihrer Stirn diese senkrechte Furche, von der ich aus eigener Erfahrung wusste, dass sie Unheil ankündigte. Kurz bevor die SinnlosReisende diese Rumpelstilzchen-Parodie aus seinen Sandalen schlagen konnte, kam ich mit den Tickets und die Situation entspannte sich.

Jama Masjid Eingang
Jama Masjid

Die Moschee selbst ist trotz ihrer Größe eher unspektakulär. Die Hauptattraktion waren an diesem Tag zwei exotische, fremdartige Aliens, die gerade erst mit ihrem Raumschiff gelandet waren. Zumindest fanden das die Einheimischen und machten schnell ein paar Schnappschüsse.

Jama Masjid Innenhof
Bitte mal lächeln
Jama Masjid Innenhof
Wir fallen hier auf
Gruppenfoto in der Jama Masjid
Fotoshooting
Sinnlosreisender auf der Treppe
Suche den Fehler: Einer passt nicht hierher

Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man ganz alleine so anders aussieht als alle Anderen, zumal manche der Umstehenden uns ganz unverhohlen anstarrten. Ein paar Mutige fragten uns, ob wir mit ihnen für ein Foto posieren würden. Nach einer Weile bildete sich hinter uns eine Schlange mit Leuten, die auf ein Fotoshooting mit uns warteten. Irgendwann mussten wir die Flucht ergreifen, denn wir wollten noch ein Taxi zu Humayun’s Tomb nehmen.

Taxi fahren in Indien

Als Tourist in indischen Großstädten mit dem Taxi zu fahren, macht ungefähr so viel Spaß wie entzündete Hämorrhoiden. Es ist einfach nur ein „pain in the ass“. Um zu Beginn etwas Positives zu sagen: die allermeisten Taxifahrer sind ausgezeichnete Autofahrer und pflegen einen virtuosen Umgang mit der Hupe. Ich hatte ja schon beschrieben, dass Verkehr in Indien ein verlustreicher Krieg ist. Die Taxifahrer sind die Berufssoldaten, die Söldner, die Legionäre auf diesem Schlachtfeld. Ihre Manöver lassen sich allerdings nicht immer mit den Grundsätzen der deutschen Straßenverkehrsordnung vereinbaren. Am besten, man schaut nicht aus dem Fenster und vertraut auf ihre Fahrkünste.

Verkehr in Delhi
Mit dem Taxi mitten durchs Gewimmel

Leider werden Touristen von indischen Taxifahrern nicht als Kunden, sondern als Opfer betrachtet, die man so richtig ausnehmen kann. Wir haben kein einziges Taxi gesehen, bei dem das Taximeter funktionierte. Bei der Preisverhandlung werden zu Beginn vier- bis fünffach überhöhte Preise genannt. Selbst wenn man nach harten Verhandlungen einen einigermaßen fairen Preis vereinbart hat, ist man vor Überraschungen nicht sicher. Gängige Argumente beim Bezahlen sind:

  • der vereinbarte Preis galt pro Person, bei zwei Fahrgästen verdoppelt er sich
  • das Gepäck kostet noch einen Zuschlag
  • irgendeine Mehrwertsteuer, City Tax, Autobahngebühr, Flughafengebühr, Lizenzgebühr oder Touristentaxe kommt noch zum vereinbarten Preis dazu
  • der Fahrer nennt einfach einen höheren Preis als beim Losfahren und versteht auf einmal kein Englisch mehr
  • es wird teurer, weil wegen einer Sperrung ein Umweg erforderlich war
  • der vereinbarte Preis war der Tagespreis, nach Einbruch der Dämmerung kommt der Nachtzuschlag dazu
  • Der Fahrer braucht noch ein Geburtstagsgeschenk für seine Frau
  • Der Fahrer verrechnet sich in der Hektik beim Wechselgeld (immer zu seinen Gunsten)
  • und natürlich der Klassiker für Leute, die nur große Scheine aus dem Geldautomat gezogen haben: „sorry, I have not enough change“.

Bei solchen Tricks ist die wirksamste Gegenmaßnahme, passend den vereinbarten Betrag zu bezahlen und einfach einen Abgang zu machen. Die Preisverhandlungen sind nervig, aber viel schlimmer ist, dass man sich nie darauf verlassen kann, direkt ans gewünschte Ziel gebracht zu werden. Viele Fahrer verdienen sich nebenher eine Provision, wenn sie ihre Fahrgäste in einem Teppichladen, einem Schmuckgeschäft oder bei einem Schneider abliefern „Just look, you don’t have to buy“. Und manchmal landet man ganz woanders, wie unsere Gruppe 3 in Agra erleben musste. Statt zum „Taj Mahal Viewpoint“ brachte der Tuk-Tuk-Fahrer sie zum „Taj Mahal View Hotel“, das fünf Kilometer in der entgegengesetzten Richtung lag. Alle Interventionsversuche, sogar mit Routenplaner auf dem Handy, scheiterten am beharrlichen „I know, I know, trust me!“ des Fahrers.

Die besten Waffen gegen die unlauteren Methoden der Taxifahrer sind Uber und Ola. Bisher hatte ich diese Apps für überflüssig gehalten, denn wozu braucht man Privatfahrer, wenn es einen ganzen Berufszweig gibt, der Menschen professionell befördert? Aber in Indien waren diese Apps unsere Rettung. Man gibt einfach das Ziel ein und der Algorithmus rechnet den Komplettpreis aus und sucht nach einem Fahrer in der Nähe. Sobald Jemand die Fahrt annimmt, erfährt man sein Kennzeichen und beide erhalten eine Pin. Dann kann man live mit GPS beobachten, wie der Fahrer näher kommt. Wenn man am Ziel angekommen ist, wird die Bezahlung ohne Diskussionen abgewickelt und man gibt eine Bewertung ab. Fertig.

Das Grab von Humayun

Wie bitte, wer? Humayun? Nie gehört. So war bestimmt auch deine erste Reaktion. Zum Glück gibt es diesen Blog, der alle möglichen Wissenslücken sofort schließt. Gern auch mal mit nutzlosem Wissen, aber egal, Hauptsache das Loch ist zu und bleibt dicht.

Details kannst du auf der Unesco-Welterbe-Seite selbst nachlesen. In Kürze: Humayun war im 16. Jahrhundert ein bedeutender Herrscher aus der Mughal-Dynastie. So bedeutend, dass seine Frau und sein Sohn ihn nicht einfach nur auf dem städtischen Friedhof von Delhi beerdigten, sondern ihm ein größenwahnsinniges Mausoleum errichteten. Inklusive einer zehn Hektar umfassenden Gartenanlage, die dem islamischen Paradies nachempfunden war. Also nicht gerade ein Ausdruck von Bescheidenheit, aber auch heute noch schön anzusehen.

Humayun's tomb Delhi
Humayun’s Tomb
Humayun's tomb aus der Nähe
Als Grab etwas überdimensioniert
Da liegen sie im Tode vereint: Vater, Mutter, Sohn
Humayun's tomb Aussenansicht
Die Rasenfläche im Vordergrund ist eine von 36 in dieser Anlage
Gartenanlage Humayun's tomb
Ein Pavillion im Quadrant Nr. 27 des Gartens

Brauchst du noch ein paar nutzlose Fakten? Dann nimm dies: In Indien leben über 1,4 Milliarden Menschen. Wenn jeder Inder sich ein Grab wie Kollege Humayun leisten würde, bräuchte man dafür eine Fläche von 140 Millionen km2. Damit wäre die gesamte Landfläche der Erde (ohne Antarktis) komplett mit Grabmalen bedeckt. Gut, dass sich in Indien die platzsparende Feuerbestattung durchgesetzt hat.

Humayun’s Tomb war übrigens das erste Grabmal in einer ganzen Serie von Monumentalbauten, die im Taj Mahal ihren Höhepunkt fand. Und genau dorthin führt uns der nächste Abschnitt unserer Reise. Bis bald.

Delhi. Heilige Scheiße!

Leichen pflastern den Weg von Annalena Baerbock auf diesem Streifzug durch Indiens Hauptstadt. Mit Survival Guide für den Verkehr.

Nun also Indien. Die Diskussionen bei den SinnlosReisenden im Vorfeld dauerten lange und waren intensiv, denn einerseits hat Indien den Ruf eines exotischen Zauberlandes. Maharadschas, Ayurveda, Yoga, Goa, Tantra, Mantra, Mata Hari, Karma, Curry, Papadam und Garlic Naan. Wer kann da schon widerstehen? Andererseits liest man abschreckende Berichte über entsetzliche Armut in riesigen Slums, Säureattentate von verschmähten Liebhabern oder Massenvergewaltigungen. Allerdings konnten wir schon in Albanien erleben, dass Vorurteile manchmal nicht viel mit der Realität zu tun haben. Also blieb uns nichts anderes übrig, als es mal wieder im Selbstversuch herauszufinden.

Reisevorbereitungen – das Visum

Wir waren mit einigen anderen deutschen Gästen zu einer indischen Hochzeit eingeladen, und so kam es, dass sich vier Reisegrüppchen aus verschiedenen Richtungen auf den Weg nach Indien machten. Wir wollten natürlich ein paar Sehenswürdigkeiten besuchen, bevor sich dann alle zur Hochzeitsfeier treffen würden. Soweit der Plan.

Doch zuerst galt es eine Hürde zu nehmen: das Visum. Im Online-Antrag sind zwei Stolperfallen versteckt. Man sollte auf gar keinen Fall pakistanische Familienangehörige haben oder sie unbedingt verleugnen, denn Indien und Pakistan sind zwar Nachbarn, aber keine Freunde. Schwäbische Häuslebesitzer kennen das, denn die größten Feinde sind hier oft die nächsten Nachbarn. Und man muss bei der Frage nach einem eindeutigen Körpermerkmal gut überlegen. Ein Muttermal auf der Pobacke sollte man lieber nicht angeben, denn bei der Immigration könnte sich der Zollbeamte das Mal zur Identifizierung zeigen lassen. Nach der Genehmigung muss man das voll digitale Onlinevisum dann auf Papier ausdrucken und während der Reise mit sich führen. Frag nicht, das ist halt so!

Anreise nach Delhi

Die erste Reisegruppe verbrachte erstmal 36 Stunden in der Notaufnahme in Delhi, denn auch ein Viersternehotel bietet genügend Keime für Magen-Darm-Desaster mit Dehydrierung. Gruppe 2 hatte ein anderes Hotel gewählt und kam glimpflich davon: zwei Tage wasserfallartiger Durchfall, aber immerhin kein Krankenhausaufenthalt.

Exotisches Obst am Straßenstand in Indien
Obst am Straßenstand. Ein Teller kostet zwei Tage Durchfall

Die dritte Gruppe hatte ein Hotel in einem Viertel von Delhi erwischt, das selbst dem Taxifahrer den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Aber da es sich bei dieser Gruppe um ein robustes Männerduo handelte, war das kein Problem. Man muss dazu wissen, dass es bei indischen Hotels durchaus üblich ist, Fotos von der Website eines anderen, besseren Hotels zu klauen und die Lage auf Google falsch anzugeben. Außerdem sind mindestens die Hälfte der Rezensionen gekauft, nämlich alle, die bei maximaler Punktzahl nur ein Wort angeben, wie „awesome“ oder „excellent“. Indien ist halt eine Dienstleistungsgesellschaft, da kann man alles kaufen.

Da unser Flug um 2:00 Uhr morgens in Delhi landete, hatten wir die erste Übernachtung in einem Snoozepod am Flughafen gebucht. Das sind kleine fensterlose Kammern, die stundenweise vermietet werden. Als wir den Sicherheitsbereich verlassen hatten, bildete sich um uns herum sofort eine Traube von hilfsbereiten Leuten, die uns ihre Dienste anboten. Taxis, Unterkünfte, Ausflugstouren, Ersatznieren, was der Tourist eben so braucht. Im Laufe unseres Urlaubs lernten wir allmählich, diese Leute abzuwimmeln, aber anfangs kostete das ganz schön viel Kraft. Einen konnten wir bis zum Aufzug nicht abschütteln. Er wollte sich noch ein Trinkgeld abholen, indem er uns den Knopf in den sechsten Stock drückte. Als ob wir das nicht selbst geschafft hätten.

Während wir auf unser Zimmer warteten, bekamen wir vom Hotelmanager einen wertvollen Tipp, wie man sich vor diesen Leuten schützt, die einem irgendetwas aufschwatzen wollen. „It‘s simple: ignore all people, who want to help you!“, lautete der ultimative Rat. Nach einer angeregten Unterhaltung über unsere weiteren Pläne kam der Manager auf den Punkt. Er habe nebenbei noch eine Reiseagentur. „I can help you with everything“, war sein Fazit. Ich hatte aber längst seinen Rat beherzigt und ignorierte ihn.

Nach wochenlangen Recherchen hatte die SinnlosReisende in Delhi ein Homestay gebucht. Das sind von Familien geführte Pensionen, die meistens keine Sterne haben, aber dafür nette und hochmotivierte Gastgeber. Von dieser Homebase aus stürzten wir uns in den Verkehr von Delhi.

Der indische Verkehr

Straßenszene in Delhi Chandni Chowk
In einer Nebenstraße
Verkehrsstau in Delhi
Auf der Autobahn
Straßenszene in Delhi mit Kuh
Verkehrsteilnehmer

Indien ist das Land mit den weltweit meisten Verkehrstoten. Nach Schätzungen der WHO sterben hier jedes Jahr etwa 300.000 Menschen durch Unfälle. Der indische Straßenverkehr ist Krieg. Ein Kampf Jeder gegen Jeden, bei dem nur eine Waffe erlaubt ist: die Hupe. Da es kaum Gehwege gibt, kämpfen Menschen, Tiere und Fahrzeuge aller Art in der gleichen Arena, in der es nur eine einzige Regel gibt: „ES GELTEN KEINE REGELN“.

Rote Ampeln bedeuten, dass man beim Überqueren der Kreuzung etwas lauter hupen sollte als üblich. Doppelte durchgezogene Linien markieren die Straßenmitte, haben aber ansonsten keine Bedeutung. Überwiegend herrscht Linksverkehr, aber wenn in eine Richtung mehr los ist als in die andere, schwappt der Fahrzeugstrom elastisch auf die Gegenfahrbahn.

Die wenigen Zebrastreifen sollte man nur mit ausreichend Proviant und einem Schlafsack betreten, denn es sind Fallen, mit denen arglose Touristen auf den Mittelstreifen gelockt werden, wo sie dann bis zur nächsten Lücke im endlosen Strom der Fahrzeuge ausharren müssen. Und das kann mehrere Tage dauern.

Zum Überleben im indischen Verkehr ist es sehr hilfreich, die feinen Nuancen einer fachgerecht betätigten Hupe zu kennen. Hier ist ein kleiner Leitfaden für Einsteiger:

  • Huup: Ich komme, fahr bloss nicht in meine Spur!
  • Huup-Huup: Ich komme, geh aus dem Weg!
  • Huup-Huup-Huuuuuup: Mach den Weg frei, ich bin größer als du!
  • Huup-Huup——Huup-Huup: Fahr endlich, du Anfänger!
  • Huuuuuuuuuuuuuuuuup: Ich bremse nur für Kühe!
  • Muuuuuh: Ich bin eine heilige Kuh. Wenn du mich umfährst, kostet das richtig viele Karmapunkte!
  • Miip-Miip: Ich bin kleiner als du, bitte fahr mich nicht um!
  • Miiip-Miiip-Miiiiiip: Ich bin kleiner, aber schneller als du, lass mich durch!
  • Miiiiiiiiiip-Miiiiiiiiip-Miiiiiiiiip: Ich habe Kinder, bitte lass mich leben!
  • Hoooooooooooooooonk: Ich bin ein Bus und bremse nur an Haltestellen!
  • HOOOOOOOOOOOOOOOONK: Ich bin ein Lkw und habe keine Bremsen!
  • Criiiiiiieeeeeeep – Radong: Ich bin ein Streifenhörnchen und habe jetzt einen platten Schwanz!
Streifenhörnchen mit plattem Schwanz
Arschloch! Das war mein Schwanz!
Indischer Lkw
Ein Fahrzeug der Kategorie HOOOOOOOOOOOOOOONK (unten rechts ein Miip-Miip)

Heilige Scheiße!

Ach so, eine Regel gibt es doch noch: die heiligen Kühe haben immer Vorfahrt. Diese Kühe prägen das Straßenbild. Und wo Kühe sind, liegen auch ihre Hinterlassenschaften herum, zumindest bis sie Jemand einsammelt, der die Kuhfladen trocknet und mit ihnen kocht oder heizt.

Heilige Kuh pinkelt auf der Straße
Eine heilige Kuh bei der Arbeit

Ich trat schon auf den ersten zwanzig Metern in die heilige Scheiße. Ich trug mal wieder meine Lieblingsschuhe mit dem tiefen Profil, die auch schon mit der chemischen Toilette des Wohnmobils Bekanntschaft machen mussten. Am nächsten Morgen trat ich mit dem ersten schlaftrunkenen Schritt auf unserer Terrasse in ein Häufchen, das dort einer der allgegenwärtigen Affen hinterlassen hatte. Ich muss mir wohl neue Lieblingsschuhe suchen.

Affenkacke auf dem Kunstrasen
Jetzt reicht’s mir aber langsam!

Noch übler erging es einem Mitglied der Reisegruppe 3, der ein Opfer der Schuhputzermafia wurde. Diese üblen Gesellen pirschen sich an Touristen heran, in der Hand ein mit Hundekot gefülltes Tuch. Wenn das Opfer gerade abgelenkt ist, bücken sie sich zu seinem Schuh und drücken die Kacke mit dem Tuch an den Schuh. Dabei rufen sie aufgeregt „Oh, Look, Sir, you stepped into something!“ und tun so, als hätten sie gerade das Malheur entdeckt und würden versuchen, notdürftig den gröbsten Dreck mit dem Tuch abzuwischen. Während der arglose Tourist sich noch darüber wundert, wie er denn so ein Häufchen übersehen konnte, ist rein zufällig ein Schuhputzer zur Stelle, der dann zu einem Wucherpreis den Dreck entfernt.

Mit der Metro zum Akshardham Temple

Delhi ist die zweitgrößte Stadt der Welt mit ungefähr 40 Millionen Einwohnern. Die Hälfte davon, nämlich die Männer, spucken alle paar Minuten auf den Boden. Außer in der Metro, denn dort ist Spucken verboten. Das fand ich etwas schade, denn ich wollte schon immer in einer beschleunigenden Metro ausspucken und das Flugverhalten des Sputums studieren.

Spucken verboten
Spucken verboten

Ich weiß, dass etliche Leser meine gründlichen Recherchen zu sinnlosem Alltagswissen sehr schätzen, daher kommt hier ein kurzer Faktencheck: einmal ausspucken enthält etwa 10 Milliliter Flüssigkeit. Mit Kautabak etwas mehr, ohne etwas weniger. Wenn jeder männliche Bewohner Delhis alle zehn Minuten ausspuckt, dann kommt im Jahr eine Pfütze von 7 Milliarden Litern zusammen. Das entspricht etwa dem jährlichen Bierkonsum aller Deutschen (einschließlich Oktoberfest). In fünfzehn Jahren entsteht so ein Spucketeich von der Größe des Wannsees. Erstaunlich, nicht wahr?

Die Metro ist ein Lichtblick in Delhis Verkehr. Zuverlässig, günstig, sicher und schnell umgeht sie das Verkehrschaos auf den Straßen im Minutentakt. Und man vermeidet die Spuckepfützen. Das hat wohl auch unsere Außenministerin gedacht.

Bericht über Annalena Baerbock in Delhis Metro

Offenbar waren Annalenas Securityleute etwas übereifrig. Denn als wir am gleichen Tag ein paar Stunden später dieselbe Bahn nahmen, lagen immer noch Menschen mit Einschusslöchern in der Stirn herum. Da mir beim Anblick von Blut immer schlecht wird, schaute ich nicht so genau hin, aber ich hatte den Eindruck, manche bewegten sich sogar noch. Ganz schön spooky! *

In der Metro von Delhi
In der Metro von Delhi

Egal, wir ließen uns nichts anmerken, fuhren zur Station Akshardham und besuchten den gleichnamigen Tempel. Da fotografieren hier strengstens verboten ist (man muss sogar sein Handy an der Garderobe abgeben), habe ich für diesen Bericht auf die offizielle Fotogalerie des Tempels zurückgegriffen.

Dieser Hindutempel wurde von 8.000 Freiwilligen aus Sandstein und Marmor gearbeitet und erst 2005 fertig gestellt. Ein wunderschöner Garten, eine Ausstellung zum Hinduismus und eine Wasser-Show bei Sonnenuntergang gehören zum Programm. Und das alles kostenlos.

Swaminarayan Akshardham Hindutempel
Swaminarayan Akshardham

Im Inneren des Tempels gibt es neun Kuppeln, deren Decken mit Schnitzereien verziert sind, die verschiedene Themen aus dem Hinduismus darstellen. Diese sogenannten Mandapams sind derart atemberaubend schön, dass Genickstarre unvermeidlich ist.

Akshardham Mandir Mandapam
Mandapam
Akshardham Mandir Mandapam
Alles Gute kommt von oben

Offenbar waren Elefanten ein Leitmotiv der Tempelbauer, denn die Fassade ist mit Szenen aus dem Alltag der Dickhäuter gespickt.

Akshardham Mandir mit Elefantenrelief
Elefanten als Leitmotiv
Akshardham Elefant in Boot
„Und ich sag noch, der ist zu schwer, aber nein, du wolltest ja nicht hören“
Akshardham Elefant mit vielen Rüsseln
Im Hinduismus wurde schon früh mit Gentechnik experimentiert

Am ersten Abend gingen wir übersättigt mit Eindrücken früh nach Hause. Schuhe putzen. Aber ich werde natürlich weiter über unsere Reise berichten.

*) Wenn dir meine respektlosen Flachwitze über rote Punkte auf der Stirn auf den Keks gehen, dann kannst du dich bei Irène in Indien ganz seriös über die religiösen Hintergründe des Bindi informieren.

Montenegro

Montenegro ist so klein, dass manche Menschen nicht einmal wissen, wo es liegt. Es liegt nicht in Mittelamerika, sondern an der Adria, gleich unterhalb von Kroatien. Das hast du natürlich gewusst, aber mal ehrlich, kennst du die Hauptstadt von Montenegro? Ohne bei Google zu spickeln?

Montenegro ist so winzig, dass sich nicht einmal eine eigene Währung für seine 621.000 Einwohner lohnt. Deshalb wurde im Jahr 2000 die D-Mark als offizielles Zahlungsmittel eingeführt, unter Duldung der Deutschen Bundesbank. Heute zahlt man mit dem Euro, was das sinnlose Reisen deutlich vereinfacht. Die Hauptstadt heißt übrigens Podgorica, aber da sag ich dir bestimmt nichts Neues.

Kotor, die Stadt der Katzen

Katze auf Mauer in Kotor
Alte Mauern – junge Katze

Viel schöner als die Hauptstadt ist die alte Hafenstadt Kotor. Leider sieht man sie nicht oft, denn wegen ihrer idyllischen Lage in einer Bucht, die schwer an die norwegischen Fjorde erinnert, wird Kotor regelmäßig von Kreuzfahrtschiffen heimgesucht. Dann legt sich ein Schatten auf die kleinen Häuser und für einige Stunden stauen sich Heerscharen von lärmenden Touristen vor den viel zu kleinen Toren und verstopfen die engen Gassen.

Kreuzfahrtschiff in der Bucht von Kotor
Wenn Schiffe größer als Städte sind
Kreuzfahrtschiff vor Kotor
Kotor ist der Ort hinter dem Schiff
Stadttor von Kotor
Als dieses Stadttor gebaut wurde, gab es noch keine Kreuzfahrtschiffe

Abends kehrt erst dann wieder Ruhe ein, wenn die Pauschalurlauber die Stadt verlassen, mit ihren erbeuteten Souvenirs im Rucksack (Look, Darling, I found lovely pottery!). Die Geschäftsleute zählen ihre Tageseinnahmen, entspannen sich bei einem Drink und die Katzen erobern sich ihre Stadt zurück.

Kirch im Abendlicht in Kotor
Malerische Kulisse in der Abendsonne
Mann liest Zeitung
Montenegrinisches Lebensgefühl
Gasse mit Katzen bei Nacht
Kotor, die Stadt der Katzen

In den Touristenlokalen wird die Speisekarte von Ćevapčići und Djuvecreis beherrscht. Aber wenn man ein paar Schritte nicht scheut, findet man in Kotor lauschige Plätzchen mit leckerer lokaler Küche und sogar vegatarische Restaurants.

Haus in einer Bergschlucht
Lost Place in Kotor
Vegetarisches Essen
Lecker vegetarisch

Budva

Nach einem Bummel durch die Altstadt von Budva kann man sich in der Zitadelle die Bibliothek ansehen und sich die riesige Sammlung von Büchern über den Balkan in einem bequemen Sessel reinziehen. Oder einfach den Ausblick auf Sveti Nikola geniessen, eine kleine Insel, die von geschäftstüchtigen Schiffstaxibetreibern zu Hawaii Island umgetauft wurde.

Bibliothek in der Zitadelle von Budva
Der SinnlosReisende in der Bibliothek
Sveti Nikola
Sveti Nikola alias Hawaii Island

Bar

Die Kirche Храм Светог Јована Владимира in der Hafenstadt Bar ist ziemlich unbekannt. Das liegt natürlich einerseits an ihrem Namen, den sich nun wirklich kaum Jemand merken kann. Andererseits wurde die serbisch-orthodoxe Kirche von St. Jovan Vladimir erst 2016 fertig gestellt und wird deshalb in vielen Reiseführern nicht erwähnt. Völlig zu unrecht! Denn während die meisten modernen Kirchen eher unspektakulär im Auftritt daherkommen, glänzt dieses Bauwerk mit einer absolut gelungenen Optik. Außen und Innen.

Kirche St. Jovan Vladimir
Kirche von St. Jovan Vladimir
Mosaikboden im Kloster Bar
Bunt vom Boden bis zur Decke
Kirche St. Jovan Vladimir Decke
Heiligenbildchen

Im ehemaligen Jugoslawien war das Verhältnis zwischen Staat und Religion etwas angespannt. Das wird in Gemälden thematisiert, die für eine Kirche eher ungewöhnlich sind.

Religion und Kommunismus
Religion im Kommunismus

In anderen Bildern wird die Strategie der Kirche bei Verhandlungen erklärt. Ein bebilderter Leitfaden mit drei Eskalationsstufen:

Kirchenbild
Verhandlung Stufe 1: Ich mache dir ein gutes Angebot
Kirchenbild
Verhandlung Stufe 2: Ich lege noch ein Geschenk drauf
Kirchenbild
Verhandlung Stufe 3: Willst du wirklich nicht kooperieren?

Unser Ausflug zu Europas tiefster Schlucht, der Taraschlucht, fiel leider dem Regen zum Opfer, aber auch so können wir für Montenegro nur eine klare Empfehlung aussprechen. Wieder einmal zeigt sich, dass es nicht auf die Größe ankommt!

Slowenien

Warum ist Slowenien so wohlhabend? Die SinnlosReisenden finden eine überraschend einfache Erklärung.

Slowenien ist Mitglied von EU, NATO und der Eurozone. Obwohl nur zwei Millionen Menschen dort leben, hat sich die kleine Republik ziemlich schnell zum wohlhabendsten Land des ehemaligen Jugoslawien entwickelt. Erstaunlich, denn man kämpft hier immer noch gegen Drachen.

Um von Österreich nach Slowenien zu kommen, mussten wir zwei Hindernisse überwinden: den Karawankentunnel durchqueren und unter einem Regenbogen durchfahren.

Regenbogen
Hinter dem Regenbogen liegt Slowenien

Ljubljana hat ein Problem

Mitten durch die Hauptstadt Ljubljana fliesst ein kleines Flüsschen. Und offensichtlich geht es den Slowenen wirklich sehr gut, denn sie haben nicht nur eine Brücke gebaut, sondern gleich drei an der gleichen Stelle. Der Tourist wundert sich über diese Kuriosität, aber manche Menschen sind von der Wahlmöglichkeit überfordert und waten durch den Fluss.

Drei Brücken in Ljubljana
Die Qual der Wahl – Drei Brücken, ein Ziel
Skulptur in Ljubljana
„Ich hab doch gesagt, lass uns die Brücke nehmen!“

In der fahrradfreundlichen Altstadt findet man günstige Einkaufsmöglichkeiten, nette Restaurants und interessante Statuen.

Gestricktes Fahrrad
Selbstgehäkelt, nicht gestrickt!
Spar Tresor
Was man beim Einkaufen spart, kann man nebenan im Tresor anlegen
Drache bewacht Toilette
Bewachte Toilette

Andere Städte haben Probleme mit Tauben, streunenden Hunden oder Ratten. Ljubljana hat offenbar ein Drachenproblem. Immer wieder werden Menschen angegriffen, mit teilweise gravierenden Folgen, wie diese Statue eindrucksvoll zeigt:

Skulptur mit Bisswunde
Drachenbisswunde

Blöd, Blöder, Bled

Die Ortschaft Bled wird als touristisches Kleinod angepriesen. Alles, was man hier machen kann, ist einmal um den Bleder See blöd herumspazieren. Nett, aber einen Bodenseeanrainer haut das nicht vom Hocker.

Burg von Bled
Die Burg von Bled
Bleder See
Bled am See
Verkehrsschild Slowenien Schule
Achtung, Schulschwänzer!

Die Schilder in Bled sollte man unbedingt genau lesen. Wir hatten nach der Rückkehr zum Parkplatz trotz Parkschein einen Strafzettel über 120 € an der Windschutzscheibe kleben. Nun ist mir klar, wie Slowenien so schnell so wohlhabend werden konnte. Und in diesem Fall ist eine EU-Mitgliedschaft kein Vorteil für den Reisenden, denn in der EU wird unbürokratisch Amtshilfe geleistet. F * Č K !

Barcelona Reloaded

Nachdem der Männerausflug mit den Tischtenniskameraden alkoholbedingt im Chaos versank, wird es nun Zeit, die Schönheit der katalanischen Hauptstadt zu würdigen. Der Versuch einer Rehabilitation.

Im Herbst 2021 flogen wir nach Barcelona. Wie oft haben wir uns über die langen Schlangen am Check-in geärgert! Aber diese coronabedingte Leere am Züricher Flughafen war dann doch ziemlich gruselig.

Flughafen Zürich menschenleer
Zürich Kloten. Wir sind allein, allein…

In Barcelona war dank erfolgreicher Impfkampagne nichts von irgendwelchen Einschränkungen zu spüren. Um den Touristen aus allen Ecken der Welt das Sprachproblem zu erleichtern, verzichtet man in der Metro auf Texte. Stattdessen wird in Piktogrammen anschaulich gezeigt, wie man sich zu benehmen hat.

Piktogramm in Metro Barcelona
Bei überfülltem Zug bitte das Dach nutzen!
Piktogramm in Metro Barcelona
Bei leeren Zügen rasch das Abteil wechseln!
Piktogramm in Metro Barcelona
Verhalten bei Ausfall des Motors!
Piktogramm in Metro Barcelona
Unterstützen Sie hilfsbedürftige Mitmenschen beim Umsteigen!
Piktogramm in Metro Barcelona
Spanische Männer werden nie erwachsen

Plaza de España VS. Plaça de Catalunya

Schon die Schreibweise der beiden Plätze zeigt, dass hier feine Unterschiede gemacht werden. Ich hatte an anderer Stelle bereits über die ablehnende Einstellung der Katalanen zu Spanien berichtet. Dass der Spanische Platz größer, pompöser, eindrucksvoller ist als der Katalanische Platz, das bestreitet Niemand. Aber bei genauer Beobachtung erkennt man die feine Rache der Katalanen, die fiesen kleinen Nadelstiche. So werden Baustellen am Spanischen Platz einfach nie fertig und die Brunnen sind meistens außer Betrieb, weil sie mal wieder gereinigt werden. Und das kann dauern.

Placa Espagna in Barcelona
Plaza de España
Säulen an der Placa Espagna in Barcelona
Sinnlose Säulen stützen die Luft
Städtischer Arbeiter reinigt den Brunnen
Hochseilartist? Brunnenputzer am Spanischen Platz

Am Plaça de Catalunya bitten Schilder um Hilfe bei der Bekämpfung des Taubenproblems. Das hält findige Geschäftemacher nicht davon ab, Taubenfutter an die Touristen zu verkaufen. Denn auf den Urlaubsfotos macht es sich so gut, wenn man inmitten einer Wolke aus Tauben steht. Außer man wird von einer Kackbombe getroffen.

Tafel Tauben nicht füttern
Das Taubenproblem
Placa Cataluna mit Tauben
Problem? Welches Problem?

Reus – die Wiege eines Genies

Wenn man Barcelonas architektonische Schätze verstehen will, muss man ein Stück an der Küste entlang nach Reus fahren. Dort wurde Antoni Gaudi geboren und angeblich wurde dort auch seine künstlerische Persönlichkeit geformt.

Geburtshaus Antonio Gaudi in Reus
Das Geburtshaus von Antoni Gaudi

Über Gaudis Kindheit gibt es wenig belastbare Informationen. Aber vor seinem Geburtshaus steht eine Skulptur, die das angehende Genie beim Spielen mit Murmeln zeigt. Sein Größenwahnsinn war offensichtlich schon in der Jugend ausgebrochen, denn die Murmeln haben Dimensionen, von denen ich als Kind nicht mal geträumt habe. Aber aus mir wurde ja auch kein Stararchitekt.

Gaudi Adolesente - El Nen
Der junge Gaudi spielt

Im nahegelegenen Park findet man einige Übungsbeispiele im Gaudistil. Erstaunlich, was man mit ein bisschen Fantasie aus einer lausigen Parkbank machen kann.

Parkbank in Reus im Gaudistil
Schöner sitzen – Parkbank im Gaudistil
Parkbank in Reus im Gaudistil
Lauschiges Plätzchen
Brunnen in Reus im Gaudistil
Wasserspiele

Park Güell – Spielplatz der Kreativität

Als Gaudi größer wurde, knöpfte er sich größere Aufgaben vor. In Barcelona kann man einige von ihm entworfene Häuser besichtigen. Aber selbst Laien wie ich erkennen, dass der angehende Meister hier noch geübt hat, denn er hat nicht einmal eine gerade Wand hinbekommen. Ich würde beim Einzug Mietminderung geltend machen, denn wie soll man denn in so einer windschiefen Wohnung seine Möbel stellen?

Casa Mila in Barcelona
Casa Milà

Im Park Güell konnte Gaudi dann seiner Fantasie freien Lauf lassen. Der Gärtner bekam ein eigenes Lebkuchenhaus und überall stehen Mosaiken in der Landschaft herum. Und wie sich das für ein Genie gehört, verzichtete Gaudi auf die Verwendung einer Wasserwaage.

Schiefe Säulen im Park Güell
Wenn man zu stolz ist, die Wasserwaage zu verwenden…
Lebkuchenhaus im Park Güell
Das Haus des Gärtners
Mosaik im Park Güell
Begrüßungsmosaik
Palmengang im Park Güell
Der Palmengang

Das beliebteste Fotomotiv des Parks ist aber die Veranda mit dem legendären Mosaik-Geländer. Diese Balustrade ist so beliebt, dass man sie vor lauter Instagram-Jägern nicht mehr sieht. Die Parkverwaltung hat eine Securityfirma beauftragt, die im Minutentakt allzu rücksichtslose Fotografen von der empfindlichen Keramik runterpfeift. Deshalb konnte ich dieses Kunstwerk leider nur in Ausschnitten dokumentieren.

Balkon im Park Güell von Menschenmassen verdeckt
Das unsichtbare Geländer
Balkongeländer Park Güell
Eine unbeachtete Ecke
Balkon Park Güell mit Aussicht auf Barcelona
Endlich ein Lichtblick!
Park Güell Geländer mit Lebkuchenhaus
Pilzkopf
Balkongeländer Park Güell mit Aussicht auf Barcelona
Beste Aussichten

Sagrada Familia

Gaudis größtes Projekt ist wohl die Sagrada Familia, die mit ihrer Bauzeit selbst den BER in den Schatten stellt.

Sagrada Familia
Da fehlt nicht mehr viel
Schnecken an der Sagrada Familia
Selbstironisches Detail – Bau im Schneckentempo
Jesusfigur an der Fassade der Sagrada Familia
„Jetzt komm endlich runter, die Kreuzigung beginnt gleich!“

Und sonst?

Barcelona bietet so viele sehenswerte Ecken, dass es diesen Bericht sprengen würde. Fahr doch einfach mal selber hin, es lohnt sich auf jeden Fall. Aber achte darauf, dass du nicht mit deinem Sportverein unterwegs bist, denn das könnte schief gehen.

Unser nächstes Reiseziel ist übrigens Indien. Zum Glück gibt es am Hafen von Barcelona Jemanden, der den Weg dorthin sicher aus eigener Erfahrung kennt.

Kolumbusdenkmal in Barcelona
Christoph Kolumbus: „Da lang geht’s nach Indien!“

Falls wir lebend zurückkommen (die Chancen stehen laut einschlägigen Internetforen 50:50), kannst du dich auf bunte Bilder und neue Geschichten freuen. Falls nicht, können wir nur hoffen, dass ich mich nach der Wiedergeburt noch an mein Passwort erinnere.

Albaniens Bergwelt

Eine Reise durch das Land der Skipetaren, wo es in den Bergen eigenartige Bräuche und interessante Früchte gibt.

Um die albanische Riviera zu erreichen, muss man den Longarapass überwinden. Hier werden Material und Beifahrer in haarsträubend steilen Serpentinen auf eine harte Probe gestellt, aber die Überlebenden werden mit der Aussicht auf die herrlichen Strände und die Insel Korfu entschädigt.

Longarapass
Der Longarapass (auf seiner harmlosen Seite)
Blick vom Longarapass auf Korfu
Traumhafte Strände mit Blick auf Korfu

Nach einigen entspannten Strandtagen machten wir uns auf den Weg in die albanische Bergwelt. Unterwegs bestaunten wir eine byzantinische Kirche und das blaue Auge Albaniens, Syri i Kaltër.

Kloster Agios Nikolaos in Mesopotam, Albanien
Kirche Agios Nikolaus in Mesopotam
Syri i Kalter - Das blaue Auge Albaniens
Das blaue Auge: Albaniens wasserreichste Quelle

Dann folgten wir dem Lauf des wunderschönen Flusses Vjosë in die längste Sackgasse Albaniens, die Schlucht von Lengarica. Hier endet die zivilisierte Welt. Tagsüber planschten ein paar Einheimische in den warmen Thermalquellen von Benjë, aber Nachts konnten wir die Ruhe der Natur geniessen. Zumindest nachdem die SinnlosReisende unseren Nachbarn Bescheid gesagt hatte. Manche Leute haben eine eigenartige Vorstellung von Freiheit. Nur weil es kein Schild mit Vorschriften zur Nachtruhe gibt, glauben sie, sie könnten das ganze Tal mit ihrer Technomusik beschallen.

Badeinsel in der Vjosa
Badeinsel im Flussbett der Vjosë
Thermalpool
Natürliche Thermalquellen in der Schlucht von Lengarica
Thermalquellen von Benje
Fröhliches Treiben in den schwefelhaltigen Pools
Mann unter alter Brücke Ura e Kadiut
Tor zum Ende der Welt: Ura e Kadiut

Die Gesetze der Berge

In der abgeschiedenen Bergwelt Albaniens gibt es seit Jahrhunderten zwei Prinzipien, denen sich alles andere unterordnet. Erstens muss die Familienehre mit allen Mitteln verteidigt werden, notfalls auch durch Blutrache, einem vornehmeren Wort für Mord. Da die Familie des Opfers verständlicherweise ihrerseits die eigene Ehre verletzt sah, wurden flugs Opfer- und Täterrollen getauscht und die Gegenblutrache ausgerufen. Das führte zu generationsübergreifenden Familienfehden, ohne dass die Beteiligten noch genau wussten, was eigentlich der Auslöser gewesen war. „Der Gaul deines Urgroßvaters hat schon damals dem Pferd meines Urgroßonkels das Gras weggefressen“, oder so etwa.

Pferde auf albanischer Bergstraße
Auch Pferde können Familienfehden auslösen

Zweitens ist Gastfreundschaft eine Pflicht, die über allem steht. Das führt zu absurden Situationen. Wenn der mit einer Blutrache belegte Erzfeind lebend die Türschwelle des Bluträchers erreicht, muss dieser ihm drei Tage lang Gastfreundschaft erweisen. Er muss ihm dann mit knirschenden Zähnen kostenlos Unterkunft gewähren und ihm seine besten Speisen und Getränke anbieten. Was nach diesen drei Tagen passiert, mag ich mir gar nicht ausmalen.

Lengarica Schlucht in Albanien
Abgeschiedene Bergtäler führen oft zu eigenartigen Bräuchen

Wir kauften an einem Straßenstand vor einem alten Bergbauernhaus Oliven und Obst. Beim Bezahlen lächelte ich der Verkäuferin freundlich zu und bedankte mich. Aus dem Schatten löste sich ein Mann, der mich grimmig anstarrte.

Er gab mir zu verstehen, dass ich mit seiner Tochter geflirtet habe und er mich leider töten müsse, um die Familienehre wieder herzustellen. So sind halt die Regeln, was soll man machen? Beim Blick auf seinen langen Dolch beteuerte ich, dass ich niemals mit seiner Tochter flirten würde, nicht mal im Traum. Das wiederum kränkte den stolzen Familienvater so sehr, dass er mich nun für diese Beleidigung töten wollte.

Als er sich auf mich stürzte, rettete ich mich mit einem Sprung auf die Türschwelle des Bauernhauses. Der Mann steckte seinen Dolch zurück in den Gürtel und sagte: „Herzlich willkommen in meinem Heim, Fremder. Ich heiße Tarik und werde dir ein würdiger Gastgeber sein.“

Dann begrüßte er mich mit dem Wildpflaumenschnaps Raki, setzte mir die albanische Gastmütze auf den Kopf und schlachtete sein einziges Lamm.

SinnlosReisende passen sich den Sitten des Gastgebers an

Nach einem schmackhaften Mahl und einigen weiteren Rakis bot mir Tarik sein Bett an und legte sich auf die Türschwelle. Mehrmals versuchte ich mich nachts hinauszuschleichen, aber jedes Mal starrte mich Tarik mit stechendem Blick an.

Am zweiten Tag wurde mir klar, dass ich ein Problem hatte. Ich konnte Niemanden anrufen, denn meine albanische SIM-Karte hatte zwar unglaubliche 500 GigaByte Datenvolumen, erlaubte aber keine Gespräche. Die Internetabdeckung war in Albanien in jedem abgelegenen Tal besser als in der gesamten Ravensburger Weststadt. Das brachte mich auf eine Idee und ich holte mein Handy hervor.

Als der dritte Tag langsam zu Ende ging, schärfte Tarik die Schneide seines Dolchs an einem Wetzstein. Kurz vor Sonnenuntergang kam endlich der Fahrradbote von „Deli Very Here – wir liefern überall hin“. Er sah etwas erschöpft aus, aber die Lieferung war intakt. Ich wandte mich an meinen Gast-Geisel-Geber-Nehmer.

„Tarik, danke für deine Gastfreundschaft. Hier ist mein Gastgeschenk.“ Feierlich überreichte ich ihm einen lauwarmen Zwiebelkuchen und eine Literflasche angegorenen Suser. „In meiner Heimat gilt es als schwere Beleidigung, wenn man einen Rest in der Flasche lässt und weniger als sechs Stücke Kuchen isst“, fügte ich mit ernster Miene hinzu.

Als Tarik auf der Toilette hinter dem Haus verschwand, packte ich meine Sachen und machte mich aus dem Staub. Kurz bevor ich die Straße erreichte, traf mich ein Stoß an der Schulter. Mist, dachte ich, normalerweise kommt man nach Zwiebelkuchen mit Suser nicht so schnell von der Toilette runter. Es war aber nur die SinnlosReisende, die mich weckte. Ich war wohl eingenickt.

SinnlosReisender schläft vor seinem Wohnmobil
Sinnlos träumen

Albanische Bergfrüchte

In Albaniens abgelegenen Bergen leben die Bauern seit Jahrhunderten mehr schlecht als recht vom Verkauf von Nüssen, Feigen, Kastanien und Granatäpfeln. Aber in manchen Tälern gedeiht eine Pflanze, die den armen Bauern zu erstaunlichem Wohlstand verhalf. Es handelt sich um einen speziellen Bergtee, dem eine entspannende und schmerzstillende Wirkung nachgesagt wird. Er muss sehr empfindlich gegen Sonnenlicht sein, denn er wird nur versteckt unter dem Ladentisch oder nachts gehandelt.

Bergdorf in Albanien
Abgelegene Bergdörfer bergen manche Geheimnisse

Fleißige Hände verarbeiten die Ernte gleich beim Erzeuger und auch der Vertrieb in zahlreiche europäische Länder wird selbst organisiert. Zollabgaben und Steuern wurden konsequent wegrationalisiert. Direktmarketing in Reinform. So bleibt der größte Teil des Gewinns beim Erzeuger und man fährt hier Porsche oder Mercedes. Als Zweitwagen.

Von der Pflanze zur Blüte zum Extrakt
Von der Pflanze zum Endprodukt
Esel transportiert Säcke
Teetransporter

Natürlich ärgert sich der Staat, dass der Bergtee am Fiskus vorbei verkauft wird, quasi Schwarztee. Daran ändern auch die großzügigen Spenden an Polizei und Politiker nichts. Im Jahr 2014 versuchten achthundert Polizisten, die Tee-Plantagen von Lazarat in einer groß angelegten Razzia zu zerstören. Die tapferen Bergbauern verteidigten sich tagelang mit Maschinengewehren und Panzerfäusten. Am Ende gewann die Polizei und die armen Bauern mussten ihren Anbau ins Nachbartal verlegen.

Drogen-Razzia
Razzia

Wir hatten uns vor der Rückfahrt noch mit einigen Tütchen der lokalen Spezialität eingedeckt, obwohl dieser Tee erstaunlich teuer war. Aber man soll ja als Tourist die lokalen Bauern unterstützen. Ein Päckchen schenkten wir unserer 80-jährigen Nachbarin als Dank fürs Blumen gießen. Die lud gleich ihre Freundinnen zum Teekränzchen ein und was soll ich sagen? Der Tee kam unglaublich gut an. Bald war aus dem Nachbarhaus nur noch albernes Gekicher zu hören.

Albanischer Bergtee
Urlaubsmitbringsel: albanischer Bergtee

Am nächsten Morgen stand noch vor Sonnenaufgang die Drogenfahndung vor der Tür unserer Nachbarin. Die Hunde bellten wie von Sinnen den leeren Teebeutel an. Als die Nachbarin zu unserem Haus rüberzeigte, drückte ich die Toilettenspülung. Schade um den guten Tee.

Albanien

Eine Reise durch das Land der Bunker, die Stadt der tausend Fenster und die Stadt aus Stein.

Nachdem unser erster Tag in Albanien im Desaster geendet hatte, fuhren wir ins Landesinnere. Auf einem Campingplatz wurden wir mit einem Obstteller herzlich empfangen. Der Sohn der Betreiberin ließ es sich nicht nehmen, meinen platten Fahrradreifen am Samstagabend zur Reparatur zu bringen. Man stelle sich so einen Service mal in Deutschland vor. Dafür reicht nicht mal meine Fantasie. Dann gingen wir in die Stadt. Fenster gucken.

Berat, die Stadt der tausend Fenster

Berat wurde bei einem gewaltigen Erdbeben fast vollständig zerstört. Beim Wiederaufbau hatte offensichtlich ein Fensterbauer das Geschäft seines Lebens gemacht, was der Stadt den Beinamen „Stadt der tausend Fenster“ und den Status als UNESCO-Weltkulturerbe einbrachte. Schon beim Kreisverkehr am Stadteingang wird klar, worauf man hier stolz ist.

Installation aus fenstern im Kreusverkehr von Berat
Fensterbau
Berat, Stadt der tausend Fenster
Die Stadt der tausend Fenster

Ich habe nachgezählt – Es sind nur 999,5 Fenster, wenn man es genau nimmt.

Altes Haus in Berat
Das rechte Fenster zählt nur halb

Außer Fenstern hat Berat auch sonst Einiges zu bieten: die obligatorische Burg, orthodoxe Kirchen, osmanische Moscheen und die Karawanserei eines Paschas.

Karawanserei Halveti Tekke
Halveti Tekke – Karawanserei, Moschee und Palast des Paschas

Von der Stadt der Fenster ging es weiter in die Stadt aus Stein. Der Übergang war fließend, denn Steine und Fenster gab es in beiden Orten.

Gjirokastra, die Stadt aus Stein

Gjirokastra ist ein idyllischer Ort in einem Tal in den albanischen Bergen. Auf den ersten Blick verliebt sich der unbedarfte Tourist in die friedlich an den Berghang geschmiegten Steinhäuser und die engen Gässchen. Außer man hat seinem Navi vertraut und landet in einer dieser Gassen, die immer steiler werden und schließlich in einer Treppe enden.

Steiniger Weg
Gjirokastra
Gjirokastra im Abendlicht
Haus mit Steindach vor Bergkette im Abendlicht in Gjirokastra
Die Stadt aus Stein

Aber die SinnlosReisenden schauen gern auch mal hinter die Kulissen. Und da fallen zunächst einmal die eigenartigen Verteidigungsanlagen auf der Burg über der Stadt auf. In einer klassischen Burg erwartet man Armbrüste, Hellebarden oder Katapulte als Verteidigungswaffen. In dieser Festung wimmelt es von Panzern und schwerer Artillerie.

Um das zu verstehen, muss man etwas in der jüngeren Geschichte Albaniens graben.

Das Land der Bunker

In Gjirokastra wurde im Jahr 1908 ein gewisser Enver Hoxva geboren. Er litt schon früh unter einem ausgeprägten Verfolgungswahn. Überall witterte der junge Mann Verrat und Intrigen und alle Menschen in seiner Umgebung schienen ihm dauernd nach dem Leben zu trachten. Statt sich in psychiatrische Behandlung zu begeben, wählte er einen passenden Beruf: er wurde Diktator von Albanien. Seine Paranoia wurde als kommunistischer Staatschef noch heftiger und er baute einen Bunker. Nur zur Sicherheit.

Bunker in Gjirokastra
Bunker in Gjirokastra

Der Westen war Hoxva zu kapitalistisch, der Kommunismus in der Sowjetunion und in China war ihm zu lasch und dem blockfreien Nachbarn Jugoslawien unterstellte er Annektionsgelüste. Also brach er alle diplomatischen Beziehungen zu anderen Ländern ab. Er isolierte das kleine Albanien systematisch, unterband Einreisen für Ausländer und Ausreisen für Inländer und verbot jegliche Art von Religion.

Seine Paranoia hielt Hoxva nicht davon ab, seine Familie in Paris von den besten Ärzten behandeln zu lassen, denn Zuhause konnte man ja nicht mal dem eigenen Hausarzt trauen. Nach der Rückkehr von seinen Auslandsreisen erzählte er seiner Bevölkerung die übelsten Schauergeschichten. Albanien sei das einzige Land der Welt, in dem Fortschritt und Wohlstand gedeihen. Alle anderen Länder da draußen würden im Chaos versinken und würden Albanien mit in den Abgrund ziehen, wenn man sich nicht konsequent abschotte. Und die neidischen Nachbarstaaten wollten sich gewaltsam Albaniens Reichtum einverleiben.

Deshalb ließ der Diktator noch einen zweiten Bunker bauen, denn doppelt hält besser. Und dann noch einen. Am Ende standen rund 200.000 Bunker verteilt über das winzige Land. Das Konzept war einfach und logisch: für jede vierköpfige Familie muss im Fall einer Invasion ein Bunker bereit stehen.

Dann ging der Diktator auf Einkaufstour und besorgte sich Panzer, Artilleriegeschütze und sowjetische U-Boote, für die er am Mittelmeer einen Unterwasserbunker bauen ließ.

Bunker für U-Boote
U-Boot-Bunker an der Adria

Strategisch besonders wichtige Ziele wurden von mehreren Bunkern bewacht.

Zwei Bunker vor einem Melonenfeld
Zwei Bunker verteidigen ein Honigmelonenfeld gegen den kapitalistischen Klassenfeind

Und Hoxvas Strategie ging bis zu seinem Tod auf, denn kein Land der Welt wagte es, Albanien anzugreifen, weder die mächtigen Amerikaner, noch die skrupellosen Sowjets und auch nicht die bösen Nachbarn. Allerdings konnte er nicht verhindern, dass einzelne Abweichler unzufrieden wurden und das Land verließen. Aber das waren wie gesagt nur Einzelfälle.

Ein paar Unzufriedene gibt es immer – Flucht nach Italien

Als die Diktatur schließlich 1991 zusammenbrach und die Grenzen geöffnet wurden, staunten die Albaner nicht schlecht. So übel ging es den Menschen im Ausland gar nicht. Dort hatte man den Beton nicht für Bunker, sondern für Schulen, Bibliotheken oder Swimmingpools verwendet.

Albanien hatte sich zum Armenhaus Europas entwickelt. Inzwischen unterstützt die EU mit Hilfsgeldern zum Ausbau der Infrastruktur. Man erkennt diese Projekte an den Fahrradständern und den genormten Mülleimern. Nur schade, dass Albaner nicht an der Küste entlang Fahrrad fahren.

Rastplatz am Wanderweg vor der adriatischen Küste in Albanien
Rastplatz sponsored by EU
Mülleimer, überquellend
Es reicht nicht, Mülleimer aufzustellen. Man muss sie auch leeren!

So, nach diesem Ausflug in die Geschichte Albaniens sind wir bereit für eine Reise durch die Berge Albaniens. Dazu demnächst mehr auf diesem Kanal.

Sinnlose Orte, die die Welt nicht braucht – Fushë-Krujë

Vor unserer Abreise wurden wir eindringlich vor den albanischen Drogenclans, Menschenhändlern, Trickbetrügern und anderen Lumpen gewarnt. Derart mit Vorurteilen gewappnet, machten wir uns mit dem Wohnmobil von Montenegro aus auf den Weg zur Grenze von Europas vergessenem Land.

Albanien machte es uns am ersten Tag ziemlich schwer, irgendwelche Sympathien zu entwickeln. Es fing damit an, dass es kurz nach der Grenze anfing, wie aus Kübeln zu regnen. Es war, als ob das kleine Land sich gegen unser Eindringen wehrte, als ob es uns aus seinem Organismus mit Wundsekret herausspülen wollte.

verregnetes Fenster
Feuchte Aussichten

Dann stellten wir fest, dass unser Navi zwar alle Karten Europas gespeichert hatte, aber ausgerechnet Albanien war wohl vom Hersteller vergessen worden. Und die Mitarbeiter von Google waren offenbar noch nie persönlich hier gewesen, denn die Straße, über die uns deren Routenplaner schickte, war eigentlich nicht fahrbar. Die Steigungen waren abenteuerlich, der Straßenbelag erlaubte teilweise nur Schrittgeschwindigkeit und bei Gegenverkehr fürchtete ich jedes Mal um unseren Außenspiegel.

Und überhaupt der Verkehr: hinter jeder Kurve wartete eine neue Überraschung: ein Schlagloch, ein unbeleuchteter Eselkarren, eine Pferdeherde, oder ein Geisterfahrer. Manche Fahrzeuge waren in einem Zustand, der den deutschen TÜV zu einem Weinkrampf veranlasst hätte; die Fahrer befanden sich oftmals in ähnlich desolater Verfassung. Mit einer Hand am Handy, in der anderen eine Bierdose, schnitten sie die Kurven in irrwitzigem Tempo.

Unfallautos am Straßenrand
Albanische Straßen und ihre Opfer

Selbst auf der Autobahn liefen Fußgänger über die Fahrbahn. Klar, ich kann schon verstehen, dass die Oma lieber ihr Einkaufswägelchen über die Mittel-Leitplanke hievt, als kilometerweit zu Fuß bis zur nächsten Brücke zu laufen. Ich fragte mich aber, wie bekloppt man sein muss, um mit dem Fahrrad auf der Schnellstraße als Geisterfahrer ohne Licht zu fahren.

Pferde auf der Straße
Geistertraber

Hinter der albanischen Grenze verpassten wir im heftigen Regen, an einem dieser vertrauenswürdigen Stände Geld zu wechseln und eine SIM-Karte zu kaufen. Ohne Netz funktionierte nicht mal mehr Google Maps, also steuerten wir den nächsten Geldautomaten an. Es gab keinen. Weder an Tankstellen, noch in Restaurants oder in Supermärkten. Nirgends. Entnervt legten wir einen ungeplanten Zwischenstop auf dem Parkplatz eines Hotels am Rande der Schnellstraße ein. Hier gab es auch keinen ATM, aber wenigstens sprach die Rezeptionistin Englisch. Geld und SIM-Karte gäbe es im Zentrum von Fushë-Krujë, zwei Kilometer entfernt.

Die Kleinstadt Fushë-Krujë glänzt mit der konsequenten Abwesenheit von Sehenswürdigkeiten, außer man interessiert sich für Zementwerke. Sie hat eigentlich keine wirkliche Existenzberechtigung, aber trotzdem hat sie sich hartnäckig an einem Verkehrsknotenpunkt festgesetzt. Hier kreuzt sich die Haupteinfallstraße nach Tirana mit der Durchgangsstraße von Montenegro nach Griechenland. Das führt regelmäßig zu kilometerlangen Staus in allen Richtungen. Mit unserem Wohnmobil wollten wir auf gar keinen Fall in das verstopfte Stadtzentrum fahren. Als der Regen aufgehört hatte, radelten wir deshalb auf unbefestigten Nebenwegen in den Ort. Ein Alptraum.

In Fushë-Krujë gibt es keine Ampel, aber immerhin einen Kreisverkehr. Um diesen Kreisverkehr herum gruppiert sich alles, was wichtig ist: zwei Banken mit ATM, drei Telefonanbieter und eine Statue von George W. Bush, dem Ehrenbürger des Ortes. Das Abbild des winkenden Ex-Präsidenten wirkt an dieser Stelle extrem deplatziert, aber die Albaner verehren die Amerikaner seit die sich im Kosovokrieg für ihre Sache eingesetzt hatten. Und der alte Xhorxh hatte tatsächlich im Jahr 2007 diesem von aller Hoffnung verlassenen Ort einen Besuch abgestattet. Warum, bleibt sein Geheimnis, aber er traf ja auch sonst gerne mal eigenwillige Entscheidungen.

Statue in Fushe-Kruje
Xhorxh W. Bush grüßt Albanien, aber das Volk ist beschäftigt

Wir steuerten einen der Geldautomaten an und wurden sofort von einer Schar bettelnder Kinder umringt. Es gelang uns, über den Kreisverkehr zu flüchten und bei einer anderen Bank ein paar albanische Lek abzuheben. Die Passanten starrten uns mit unseren Fahrrädern an wie Aliens. Dann besorgten wir uns eine albanische SIM-Karte und fuhren so schnell wie möglich zu unserem Stellplatz zurück.

Kreisverkehr in Fushë-Krujë
Das Zentrum von Fushë-Krujë: Man sieht, dass man nichts sieht, was einen zweiten Blick wert ist.

Auf dem Rückweg fuhr ich in einen Nagel, der sich in den Müllbergen am Straßenrand versteckte und holte mir einen Platten. Bei einem Autoservice fragte ich nach Hilfe und da kam er aus dem Dunkel seiner Werkstatt heraus geschlichen: der klassische albanische Lump. Ein junger Mann mit einem auffällig unauffälligen Aussehen, so verdächtig unverdächtig, dass bei mir sofort alle Alarmglocken läuteten.

Autservice in Albanien
Der Autoservice deines Vertrauens

Er unterbrach sofort seine Arbeit, holte einen Kompressor und füllte Luft in meinen Vorderreifen. Offensichtlich war das Loch aber größer als die Leistung des Kompressors. Daraufhin lieh mir der junge Mann sein eigenes Fahrrad, damit ich mit dem ausgebauten Vorderrad zum Gomisteri, dem Reifenhändler fahren konnte. Ich erinnerte mich an die Warnungen vor Betrügern und witterte natürlich sofort einen Trick, aber dieser Lump war so gewieft, dass er nicht mal Geld annehmen wollte.

Gomisterie, Reifenhändler
Der Gomisteri

Der Gomisteri hatte sein Geschäft strategisch geschickt mitten im Kleeblatt des Verkehrskreuzes unter der Brücke der E762 platziert. Also machte ich mich in der beginnenden Dämmerung auf den Weg – den Reifen geschultert auf einem viel zu kleinen Fahrrad ohne Beleuchtung, einhändig schlingernd entgegen der Fahrtrichtung auf dem Standstreifen der Schnellstraße. Kritisch wurde es in der Auffahrt, als mir ein bulgarischer 40-Tonner entgegenkam. Der Luftdruck seines Signalhorns presste mich gegen die Leitplanke, als er mit fünf Zentimetern Abstand an meinem Gesicht vorbeidonnerte. In den Augen des Fahrers sah ich die Frage, wie bekloppt man sein muss, um mit dem Fahrrad auf der Schnellstraße als Geisterfahrer ohne Licht zu fahren.

Der Reifenhändler hatte schon Feierabend und ich musste mein Rad die zwei Kilometer auf dem Standstreifen zu unserem Stellplatz schieben, wo die SinnlosReisende bereits Überlegungen zur Rückführung meines Leichnams anstellte. Es waren die längsten zwei Kilometer meines Lebens.

Karte von Fushe-Kruje
Mit dem Fahrrad ins Zentrum, zu Fuß zurück

An diesem Abend recherchierten wir schon Fährverbindungen nach Italien, aber am nächsten Morgen kam die Sonne heraus und wir gaben Albanien eine zweite Chance. Nachdem ich die Wasserpumpe repariert hatte, bei der eine Schlauchverbindung von den holprigen Straßen abgerüttelt worden war.

Übrigens: Wir trafen in unserem ganzen Urlaub in Albanien jede Menge hilfsbereite Menschen, aber keinen einzigen Lump. Die sind wahrscheinlich alle in Deutschland beschäftigt.

Sinnlose Orte, die die Welt nicht braucht – das 9-Euro-Land

Eine gute Idee ist eine tolle Sache. Wenn aber zu viele Leute die gleiche gute Idee haben, ist das Fiasko vorprogrammiert.

Neulich kam mir spontan eine Idee, die ich ziemlich gut fand:

Mit dem 9-Euro-Ticket an den Wannsee

Das mag bei meiner Berliner Leserschaft ein müdes Achselzucken hervorrufen. Aber von meinem Wohnort aus sind das immerhin gute 700 km, also deutlich weiter als bis zum Mittelmeer. Mit dem 9-Euro-Ticket sollte eine Bahnfahrt eigentlich bezahlbar sein und nebenbei tut das der Umwelt gut, dachte ich. Außerdem wird es mal wieder Zeit, den studierenden Sohn in der Hauptstadt zu besuchen. Zack, gebucht.

Leider war ich in den Pfingstferien nicht der Einzige mit einer guten Idee. Während die Fahrtabschnitte im ICE sehr entspannt verliefen, spielten sich auf den Regionalstrecken Dramen ab. Vor allem im Süden Deutschlands.

Was die Politiker nicht bedacht hatten, war die schwäbische Mentalität. Ein Schwabe kann Sonderangeboten generell nicht widerstehen. Und wenn er ein Ticket besitzt, mit dem er einen Monat lang durch Deutschland fahren kann, dann tut er das. Ausgiebig. Damit es sich rentiert. Koste es was es wolle.

Die maroden Bahnen brachen unter dem Ansturm der Massen vollends zusammen. Klimaanlagen stellten ihren Dienst ein, Türen verweigerten die Öffnung und Toiletten waren hoffnungslos überfordert. Über Pünktlichkeit wollen wir gar nicht reden, das war ja schon vor dieser Aktion nicht gerade die Stärke der Deutschen Bahn.

Umsteigen hatte einen Hauch von Monte Carlo. Mal gewinnt man, mal verliert man. Meinen Reiseplan konnte ich schon beim ersten Umstieg in den Papierkorb werfen. Manchmal gab es aber auch positive Überraschungen. Da fast jeder Zug Verspätung hatte, erreichte ich schon verloren geglaubte Anschlüsse doch noch. Wenn ich mich durch die Menschenmassen bis zum Zug durchkämpfen konnte.

Meine Reise startete in Ravensburg mit einer Meldung im DB Navigator, die meinen Elan spürbar ausbremste:

Reiseplan
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Oder ein Fluch…

Doch die Hoffnung stirbt zuletzt und immerhin wurde eine pünktliche Abfahrt angezeigt. Kaum hatte ich den Bahnsteig betreten, fuhr auch schon der Zug ein. Ich dachte erst „Hä, seit wann kommen deutsche Züge zehn Minuten zu früh?“ Aber es war nur der Vorgänger mit fünfzig Minuten Verspätung. Also alles normal.

Auch normal: es gab keine freien Sitzplätze mehr, dafür aber eine defekte Klimaanlage. Am Boden saßen etliche alkoholisierte Jugendliche mit Hund, die aus Langeweile mit ihrem goldenen Ticket sinnlos irgendwohin fuhren. Es stank wie in einem Vieh-Transporter.

Überfüllte Regionalbahn
„Jetzt mit der Bahn ganz entspannt Deutschland entdecken“ – Werbeslogan mit Humor

In Laupheim (West) wollte ein Fahrradfahrer zusteigen. Er prallte aber an der Mauer aus menschlichen Leibern ab und gab nach mehreren Versuchen frustriert auf.

In Ulm stieg ich um. Ich wusste gar nicht, dass so eine Regionalbahn 140 km/h schnell fahren kann. Könnte, denn nach 90 Sekunden hielt sie in Neu-Ulm. Beschleunigen und bremsen gehen da nahtlos ineinander über.

Nervige Anzeigen und Ansagen

Man kann sich bei der Deutschen Bahn über manches ärgern, aber meine drei meist gehassten Lieblings-Ansagen auf dieser Reise waren:

Platz 3: „Sehr geehrte Fahrgäste, unsere Weiterfahrt verzögert sich noch etwas, weil wir auf einen vorbeifahrenden Fernverkehrszug warten müssen“. Durchsage in einer Regionalbahn, als nach fünfzehn Minuten grundlosem Halt auf freier Strecke die ersten Fahrgäste kurz vor einer blutigen Revolte standen. Der Text war aber kaum zu verstehen, weil just in diesem Moment ein ICE vorbeischoss, dessen Druckwelle das Regionalbähnchen fast aus den Gleisen geworfen hätte.

Platz 2: „Zug fällt aus“. Anzeige auf dem Bahnsteig, eine halbe Stunde nachdem der Zug eigentlich abfahren sollte. Bis dahin nannte die Anzeigetafel am Bahnsteig 5 Minuten Verspätung, während die Navigator-App von 15 Minuten Verspätung wusste und die Ansage per Lautsprecher lautete: „Bitte Vorsicht an Gleis 2, Regionalexpress nach Donauwörth fährt ein“. Er fuhr nicht ein.

Platz 1: „Bitte nicht einsteigen. Dieser Zug ist überfüllt“. Ansage auf dem Bahnsteig, als der hoffnungslos verspätete Interregio sich mühsam in den Bahnhof schleppte. Das verängstigte Bahnpersonal schloss sich im Pausenraum ein, denn der wütende Mob war in Killerlaune.

Dialog der Verzweiflung

Ein Pärchen Mitte Zwanzig sitzt auf dem Boden im Flur eines völlig überfüllten Regionalzuges. Beide sehen etwas derangiert aus in ihren durchgeschwitzten T-Shirts. Offenbar sind sie schon länger unterwegs. Während er apathisch vor sich hin starrt, bearbeitet sie verbissen ihr Handy.

Sie: „Ich hab’s. Wenn wir in Ulm umsteigen und die Regionalbahn nach Donauwörth erwischen, können wir dort den IRE nach Ingolstadt nehmen. Wenn wir nicht wieder Verspätung haben. Und wenn wir uns in Ingolstadt sputen, erreichen wir die RB nach Regensburg, das wird aber knapp. Dort könnten wir die Bahn nach Weiden nehmen. Und wenn das alles klappt, könnten wir unseren Bus erreichen. Sonst müssen wir halt laufen. Aber jedenfalls kommen wir heute noch zuhause an, wenn wir alle Anschlüsse erreichen.“
Er: „Das sind aber viele wenns!“
Sie: „Und wenn du nicht gesagt hättest, lass uns mit dem 9-Euro-Ticket an den Bodensee fahren, hätten wir den ganzen Tag an unserem schönen Baggersee grillen können!“
Er: „Was für eine Scheiße!“
Zahlreiche Köpfe nicken heftig.

Zwischenstop mit Querdenkern

In Halle (an der Saale) legte ich eine Übernachtung ein. Schon am Bahnhof wird klar, dass die Bevölkerung von Sachsen-Anhalt von vorn bis hinten belogen wird. Entsprechende Theorien kannte ich aus dem Internet, aber dort kann man ja niemandem trauen. Also machte ich mich an diesem Montagabend zwecks unabhängiger Meinungsbildung selbst auf den Weg in die Innenstadt.

Wasserturm Zoo in Halle
Lügen überall: Das hier ist nicht der Zoo, sondern der Wasserturm!
Historische Gebäude in Halle
Historische Gemäuer, verkabelt und verwanzt. Unsichtbare Kondensstreifen am Himmel – alles sehr verdächtig!

Und so war ich hocherfreut, dass ich endlich, endlich eine echte sächsische Querdenker-Demo live und in Farbe erleben durfte. Bilanz: 1 Redner, 2 Techniker, 7 Zuhörer, 8 Polizisten. Zwei Alkoholleichen hielten sich an ihrer Bierflasche fest und skandierten halbherzig „Lauterbach muss weg, Lauterbach muss weg“. Konkreter wurde es nicht.

Ich war zuerst ein bisschen enttäuscht, denn im Fernsehen wird gerne der Eindruck vermittelt, in Sachsen-Anhalt bestünde „das Volk“ mehrheitlich aus quer denkenden Rechtsextremen. Aber das hier war sicher nicht das Volk, zumindest fehlten die restlichen 240.106 Einwohner von Halle. Die wenigen Passanten verdrehten genervt die Augen und machten einen großen Bogen um die Veranstaltung.

Querdenker in Halle an der Saale
Querdenker-Demo

Als ich mein Handy zückte, um ein paar Aufnahmen zu machen, zeigte der Redner mit dem Finger auf mich und rief laut ins Mikrofon: „Der Verfassungsschutz kann gerne alles mitschreiben. Die Wahrheit findet immer einen Weg!“ Als mich mehrere Polizisten neugierig musterten, winkte ich ab und machte mich auf den Weg ins Hotel. Schnell meinen Bericht fürs LKA schreiben.

Berlin: Wannsee und Berghain

Der Wannsee ist genau wie der Bodensee, nur anders. Viel kleiner. Und flacher. Und ohne Berge. Und teurer. Aber auch mit Wasser und Booten und Strandbad.

Wannsee Strandbad
Der Wannsee- ein Hauch von Ostsee

Als ich mit dem SinnlosStudierenden abends durch die Kieze streifte, kamen wir zufällig am berühmtesten Club der Welt vorbei. Im Berghain soll es die härtesten Türsteher aller Zeiten geben, an der auch Prominente wie Elon Musk scheitern. Und man munkelt von freizügigen Fetischparties und geheimen Darkrooms. Mein Bedarf an Darkrooms liegt seit der Reparatur der einzigen Lampe in unserem fensterlosen Keller im Minusbereich, aber neugierig war ich trotzdem.

Erstaunlicherweise konnten wir unbehelligt in die heiligen Gemäuer spazieren. Vielleicht waren wir zu früh, denn wir waren die einzigen Gäste. Wir stießen gerade mit einem Moscow Mule auf die Ukaine an, als ein skurriler Typ im Fußballdress an unseren Tisch stürmte. Wenn die Polizei gleich nach ihm fragen würde, sollten wir bestätigen, dass er seit einer Stunde hier bei uns gewesen sei. Der Franzmann hätte ihn wieder mal verpfiffen und er wolle nicht schon wieder eine Nacht in der Zelle in Tempelhof verbringen. Dann textete er uns mit wirren Dystopien zu (Bomben auf Berlin sind möglich, Oliver Scholz und Angelika Merkel haben Blut an den Händen, wenn ich die Leiche von Disefa Ligura sehe, sterbe ich), bis ihn der Barkeeper freundlich aber bestimmt hinaus komplimentierte.

Im Berghain herrscht strengstes Fotografierverbot, aber es gelang mir, in einem unbeobachteten Moment für meine Leser ein exklusives Bild zu machen. Hinter der Tür verbirgt sich vermutlich der geheime Darkroom. Oder das Bierlager.

Berndhain
Berghain? Berndhain? Wer wird denn so kleinlich sein.

So, das war’s für heute. Bald geht der SinnlosReisende wieder hinaus in die weite Welt, um euch von seinen Erlebnissen zu berichten.

Tod in Mexico

Eine Geschichte über die drei wichtigsten Themen: das Leben, den Tod und die Schokolade

Der Tod und das Leben

Die Mexikaner haben eine ganz besondere Beziehung zum Tod. Sie sind davon überzeugt, dass die Verstorbenen ein Mitglied der Gesellschaft bleiben. Am Dia de los Muertes, dem Tag der Toten, kehren sie sogar für kurze Zeit zu den Lebenden zurück. Das muss natürlich gefeiert werden und feiern können die Mexikaner. Drei Tage lang werden die Friedhöfe festlich geschmückt und farbenfrohe Partys rocken das ganze Land.

Da die Reise zu den Lebenden ganz schön hungrig macht, bekommen die Toten ihre Lieblingsspeise und ausreichend Getränke an ihren Gräbern serviert. Besonders bei der Rückfahrt wird für ausreichend Proviant gesorgt, denn man will ja Niemanden auf den Gedanken bringen, auf Dauer zu bleiben. So beliebt ist die verstorbene Verwandtschaft dann wieder auch nicht. Um die Ahnen nicht zu verärgern, werden die Gräber ziemlich aufwändig gebaut. Man weiß ja nie, mit welchen dunklen Mächten sie im Jenseits Kontakt haben.

Friedhof in Mexico mit Gräbern
Wohnen für die Ewigkeit: Friedhof in Mexico

Der Totenkult ist auch außerhalb der Feierlichkeiten nicht zu übersehen, denn überall stehen Skelette herum, mit denen der personifizierte Tod dargestellt wird. Wie wird eigentlich „der Tod“ korrekt gegendert? Die Tode? Nein, das ist der Plural. Die Tödin? Die Todde? Die Töde? Ich bin für jeden Hinweis in den Kommentaren dankbar. Wir wollen ja nicht die Gefühle von weiblichen „Sensenfrauen“ verletzen…

Reitende skelette
Hier reiten der Tod und seine… ähm, Tödin?
Skelett mit Kleid
Auch Tote gehen mit der Mode
Skelette mit Tablett auf dem kopf
Totenfeier. Tote feiern.
Elvis als Skelett
Und Elvis lebt doch! Ich wusste es!

Der Totenkult entstand schon vor vielen tausend Jahren bei den Ureinwohnern Mittelamerikas. Für die Mayas war der Tod eine natürliche Phase im Lauf des Lebens. Da machte es auch nichts aus, hin und wieder ein Menschenopfer zu zelebrieren, um die Götter milde zu stimmen. Da die spanischen Eroberer ziemlich konsequent alle Unterlagen der Mayas verbrannt hatten, rätseln die Wissenschaftler heute noch über ihre Kultur.

Die Maya-Ruinen von Uxmal

Immer wieder werden im undurchdringlichen Urwald Mayastädte entdeckt. In Uxmal steht eine der ganz seltenen runden Pyramiden. Man weiß wenig über die Pyramide des Zauberers, aber man vermutet, dass der zuständige Priester immer mal wieder ein Menschenopfer aus den Reihen potentieller Konkurrenten auswählte. Praktisch, wenn man seinen Gegnern ganz legal im Dienst für die Allgemeinheit das Herz aus dem Leib schneiden kann.

Pyramide des Zauberers in Uxmal
Die runde Pyramide. Der Zauberer wohnte im Penthouse
Ruine mit Maya Reliefs
Beeindruckende Reliefs
Steile Treppe auf ein Mayagebäude
Sinnloses Treppensteigen bei 35 Grad
Blick auf eine Mayastadt
Ausblick von oben
Mayaruinen im Urwald
Mitten im Urwald
Relief mit Mayakriegern
Noch mehr Reliefs

In ihrer Blütezeit lebten wohl etwa zehn Millionen Mayas in Mittelamerika, die in vielen Städten mit teilweise über 10.000 Einwohnern organisiert waren. Sie hatten ausgeklügelte Bewässerungsanlagen gebaut und Mais, Bohnen und Kartoffeln aus wilden Pflanzen kultiviert. Man entdeckte bisher 500 (in Worten: Fünfhundert) Ballspielstadien, deutlich mehr als ganz Europa zur gleichen Zeit anbieten konnte.

Ballspielstadion der Mayas
Das Wembley der Mayas: Stadion für Ballspiele
Wand mit eingestürzten Reliefs
Hooligans waren schon damals ein Problem

Lange rätselten die Forscher über die Bedeutung eines Tores, das in der Nähe von Uxmal entdeckt wurde. Bis sie dahinter im dichten Dschungel ein Fernstraßennetz fanden, über das die Städte miteinander verbunden waren.

El Arco, ein Tor der Mayas
El Arco- Mautstation der Mayas

Die Schokolade

Wir übernachteten in der Nähe von Uxmal bei Valerie im Pickled Onion in einer Hütte, die im Mayastil mit natürlichen Baumaterialien aus der Region erstellt wurde. So kommt man bei tropischen Temperaturen auch ohne Klimaanlage aus.

Bungalow im mayastil
Bungalow im Mayastil
Hängematte am pool
Siesta

Einen Besuch im naheliegenden Museo del Chocolate ließen wir uns nicht entgehen. Hier erfährt man, wie aus den heimischen Kakaobohnen in vielen mühsamen Schritten irgendwann am Ende die leckere Schokolade herauskommt. Seitdem esse ich Schokolade mit noch mehr Respekt. Schade, dass man wegen der Hitze keine Vorräte mitnehmen konnte.

Choco-Story in Uxmal
Schokoladenmuseum

Im Garten des Schokomuseums gibt es eine sehenswerte Pflanzensammlung mit ungewöhnlichen einheimischen Gewächsen und einige lokale Tierarten, wie Jaguare und Riesenschlangen.

Kaktus mit dicken Stacheln
Wehrhafter Kaktus
SinnlosReisender mit Riesenschlange
Im mexikanischen Urwald fällt das Sterben leicht

Auch wenn der Tod etwas ganz natürliches ist, Ich möchte bitte erst noch meine Schokolade aufessen. Soviel Zeit muss sein!

Das schlechteste Getränk von Mexico

Die schnellste Maus von Mexiko heißt Speedy Gonzales, das weiß ich aus den Zeichentrickserien meiner Kindheit. Nun wird es Zeit, das schlechteste Getränk von Mexiko kennen zu lernen.

Isla Mujeres

Zu einer Zeit als Corona noch eine mexikanische Biersorte war, machten wir eine Rundreise auf der Halbinsel Yucatan. Zur Eingewöhnung verbrachten wir ein paar chillige Tage auf Isla Mujeres, der Insel der Frauen. Der Name ist aber irreführend, denn auch Männer dürfen dort ohne Repressalien Urlaub machen.

Aber bald ist das für deutsche Männer eh kein Problem mehr. Denn laut Entwurf des Geschlechtseintragungsänderungsgesetzes soll bald jeder Bürger ganz unbürokratisch sein Geschlecht frei wählen können. Ich glaube, ich werde mich für einige Wochen zur Frau erklären. Dann kann ich endlich ohne schlechtes Gewissen auf den tollen Frauenparkplätzen parken, die sauberen Damentoiletten benutzen und mir meinen Jugendtraum erfüllen: Einmal in der Damenumkleide unseres Sportvereins duschen gehen. Mädels, ich freue mich schon darauf!

Auf der Insel suchten wir uns erstmal einen Mietwagen. Ich hatte gelesen, dass hier ganz fortschrittlich ausschließlich Elektrofahrzeuge vermietet werden. Die Auswahl war allerdings etwas eingeschränkt, denn es gab nur ein einziges Modell: „Familie Feuerstein“ als Golf Cart. Das Gefährt war ungefähr so sexy wie Herpes und fuhr maximal 25 km/h. Die einzige Alternative war das Taxi.

Der SinnlosReisende fährt elektrisch
Taxi Golf Cart auf  Isla Holbox
Taxi

Auf Isla Mujeres dürfen nämlich nur Versorgungsbetriebe und Handwerker ein richtiges Auto fahren. Da die Insel sehr klein ist, reicht so ein Minimalfahrzeug absolut aus. Und das hat den Vorteil, dass man ganz entspannt in den Straßen schlendern kann, ohne ständig auf den Verkehr zu achten.

Müllwagen auf Isla Mujeres
Die Müllabfuhr auf Isla Mujeres
Hauptstraße auf Isla Mujeres bei Nacht ohne Autos
Entspannte Hauptstraße ohne Autos

Am Strand geht es sehr gechillt zu, das geht gar nicht anders. Wir verbrachten einige Tage im Karibikmodus, ernährten uns von leckeren Tacos, Tortillas oder Quesadillas und schlürften die eisgekühlte Reismilch Horchata.

Blick auf Cancun von Isla Mujeres
Isla Mujeres. Am Horizont die Hotelburgen von Cancun
Strand
Wer hier Stress hat, ist selber schuld

Das Michelada-Debakel

Ich bin ja in fernen Ländern immer auf lokale Spezialitäten neugierig. Als ich Abends in der Beach-Bar ein mir unbekanntes Getränk mit dem Namen Michelada auf der Karte entdeckte, bat ich den Kellner zum Beratungsgespräch. Er reagierte ganz euphorisch, lobte meinen ausgezeichneten Geschmack und erklärte, dass Michelada das Nationalgetränk von Mexiko und speziell dieser Region sei und außerdem das Lieblingsgetränk aller Mexikaner. Und da zufällig genau in dieser Bar die besten Micheladas weit und breit serviert wurden, erfülle es ihn mit Stolz, mich an dieser Köstlichkeit teilhaben zu lassen. Zumindest war es ungefähr das, was ich aus seinem Kauderwelsch aus Englisch und Spanisch heraushörte.

Wenig später kam das Getränk, eine trübe Flüssigkeit in einem Halbliterglas mit etwas Klebrigem am Glasrand. Der Kellner wartete neben unserem Tisch und schaute mich mit einem strahlenden Lächeln erwartungsfroh an. Ich probierte vorsichtig von dem Gemisch, das einen eigenartigen Geruch verströmte, den ich nicht richtig einordnen konnte. Als meine Geschmacksnerven erste Signale rückmeldeten, erstarrte ich. Die SinnlosReisende schaute mich fragend an. Der Kellner erkundigte sich mit stolzgeschwellter Brust, wie es mir schmecke. Ich zwang meine Gesichtsmuskeln zu einem Lächeln und murmelte etwas Unverbindliches, um ihn loszuwerden.

Dann versuchte ich, die Lage wieder in den Griff zu bekommen. Das Gesöff schmeckte so widerlich, dass ich mich kaum zu einem zweiten Schluck überwinden konnte. Aus der Ferne reckte der Kellner den Daumen nach oben und rief ein lautes „Salud!“. Auch nach mehreren Versuchen konnte ich mich nicht an den unbeschreiblichen Geschmack gewöhnen, aber ein Nationalgetränk lässt man nicht zurückgehen. Während die SinnlosReisende sich einen Ast ablachte, kämpfte ich würgend einen einsamen Kampf gegen Mexikos Nationalehre. Ich verdünnte das Getränk heimlich aus meiner Wasserflasche, aber das änderte nichts an dem Brechreiz, der mich langsam überkam.

Der Kellner bemerkte nach einer Weile, dass sich der Füllstand in meinem Glas kaum änderte und fragte mit besorgter Miene, ob es ein Problem gäbe. Um seinen Stolz nicht zu verletzen, versuchte ich mich vorsichtig mit Hinweisen auf das deutsche Reinheitsgebot und einen verdorbenen Magen herauszureden. Am Ende deutete ich an, dass dieses Getränk einfach nur himmlisch schmecke, aber speziell mir eben nicht so ganz zusage.

Der Kellner hörte meinem Gestammel mit gerunzelter Stirn zu. Dann griff er mein Glas und meinte, möglicherweise habe sich der neue Barkeeper in der Mixtur vertan und versprach, mir ein neues Glas zu bringen. Nach einer hitzigen, lauten Diskussion an der Bar stellte er erneut ein volles Glas vor mich und stellte sich breitbeinig mit verschränkten Armen neben unseren Tisch. Außer dem Kellner und mehreren einheimischen Gästen beobachtete mich auch der Barkeeper mit einem langen Messer vom Limettenschneiden in seiner Hand.

Mir wurde schlagartig bewusst, wie schmal der Grat zwischen karibischer Urlaubsstimmung und kulturellem Debakel ist. Ich sah mich schon als Opfer einer Getränke-Vendetta. Und plötzlich fiel mir ein, wie viele Touristen in Mexico spurlos verschwinden. Vorsichtig nahm ich einen kleinen Schluck. Während die SinnlosReisende mühsam einen Lachanfall unterdrückte, versuchte ich meine Panik in den Griff zu bekommen. Das Getränk schmeckte genauso giftig wie das erste Glas. Tapfer zwang ich mich zu einem Lächeln und reckte den erhobenen Daumen in Richtung Bar.

Skelett bringt Getränke
Noch eine Runde Micheladas, Señor?

Auf meine Frage, aus was denn diese Michelada bestehe, erfuhr ich die Zubereitung: Man wälzt den mit Zitronensaft angefeuchteten Glasrand in Salz und Chillipulver. Dann füllt man zwei Finger hoch Maggi Flüssigwürze in das Glas und gibt ein paar Eiswürfel, einen Schuss Tabasco sowie einen Spritzer Limettensaft hinein. Dann gießt man das Ganze mit einer Mischung aus Tomatensaft, Venusmuschelpulver und Bier auf. Fertig ist die Katastrophe*. Ich bedankte mich für die Information und begab mich auf die Toilette um mich zu übergeben. Ich war nicht der Einzige.

Jaguar Skulptur in Toilette
Jaguarpärchen, beim Erbrechen einer Michelada auf der Toilette überrascht

Während der Kellner eine Zigarettenpause machte und der Barkeeper gerade beschäftigt war, schüttete ich das Getränk unauffällig in den Pflanzenkübel neben unserem Tisch. Als das Bäumchen die ersten Blätter abwarf, entfernten wir uns zügig.

Rio Lagartos und Las Coloradas

Nach einigen wundervollen Tagen nahmen wir die Fähre zurück ans Festland, wo wir uns einen Mietwagen besorgten, diesmal ein erwachsenes Fahrzeug. Nach unglaublichen drei Stunden Wartezeit am Schalter von Europcar (Herzlich willkommen auf unserer schwarzen Liste der Firmen, mit denen wir keine Geschäfte mehr machen!) erhielten wir den Schlüssel für einen Chevrolet Spark. Der Fahrzeughersteller hatte sich in vergangenen Jahrzehnten einen zweifelhaften Ruf erworben. „Unsafe at any speed“ war das Fazit der Testzeitschriften. Unser Modell war eine Sonderedition ohne neumodischen Firlefanz wie ABS, ESP oder Airbags, aber immerhin mit Klimaanlage und einem Motörchen, das Geschwindigkeiten knapp über 100 km/h erlaubte. Schneller will man auf mexikanischen Straßen sowieso nicht fahren.

Wir fuhren nach Rio Lagartos, wo wir im gleichnamigen Nationalpark einen Bootsausflug machten. In den verzweigten Lagunen gibt es Mangroven, Flamingos und Kaimane. Letztere sind etwas beunruhigend, denn im selben Gewässer liegt auch die Insel mit dem Badestrand. Unser Bootsführer versicherte uns, dass es hier völlig ungefährlich sei. Trotzdem hatte er die Bezahlung im Voraus kassiert und ging selbst nicht ins Wasser. Sicher ist sicher.

Mangroven in Rio Lagartos
Unberührte Mangrovenwälder
Pelikana in Rio Lagartos
Auch Wasservögel mögen keine nassen Füße
Kaiman schwimmt im Wasser
Hungriger Badegast
Flamingos in Rio Lagartos
Einbeinige Wanderer

In Las Coloradas ist der Name Programm. Hier wird Salz gewonnen, was dem Wasser eine eigenartige Farbe verleiht. Angeblich enthält der schlammige Boden hier wertvolle Mineralien, die gut für die Haut und für ein langes Leben sein sollen. Die Wirkung muss aber eher langfristig sein, denn während der Behandlung merkt man nicht viel. Immerhin gibt es hier Urzeitkrebse und die sehen wirklich alt aus.

Die SinnlosReisenden im Beauty-Modus
Pinkfarbenes Wasser in Las Coloradas
Salzbecken in Pink
Boot am Strand von Las Coloradas
Am Strand von Las Coloradas

Die Ruinen von Ek Balam

Die Fahrt durch das ländliche Yucatan ist ziemlich eintönig. Das Land ist flach und bewaldet und daher sieht man kilometerlang nichts als Bäume neben der Straße.

Straße mit Bäumen in Yucatan
Ein bisschen mehr Aussicht könnte nicht schaden

Das war vielleicht auch der Grund, warum die Mayas mitten in den Dschungel so hohe Pyramiden bauten. In Ek Balam bestaunten wir die gut erhaltenen Überreste einer Siedlung. Es kostet etwas Schweiß, bis ganz nach oben zu klettern, aber es lohnt sich. Denn die schönsten Reliefs findet man im Dachgeschoss, dort wo die Priester ihrem Handwerk nachgingen.

Ruinen von Ek Balam
Die Ruinen von Ek Balam
Blick auf die Ruinen von Ek Balam
Von oben sieht man endlich weiter als bis zum nächsten Baum
Maya Tempel mit Reliefs
Ganz oben: Die Galerie der Stinkefinger

Nach der anstrengenden Kletterpartie in tropischer Hitze nahmen wir ein Bad in einer Cenote. Das sind runde Löcher, die ohne ersichtlichen Grund mitten in der Landschaft entstanden sind. Es ist einfach nur herrlich, alleine in dem stillen Wasser zwischen den herabhängenden Luftwurzeln zu planschen.

Cenote ohne Menschen
Idyllisches Badeplätzchen
Cenote mit Badenden
Nach Ankunft eines Reisebusses

* Später erfuhr ich, dass es durchaus trinkbare Variationen der Michelada gibt. Die Menge der Flüssigwürze macht den Unterschied zwischen Durstlöscher und Brechmittel. Hasta luego!

Gran Canaria -Teil 2

Ein Bericht über kreative Bergdörfer und Vulkane. Und über eine afrikanische Prinzessin, die gar keine ist.

Nachdem wir die Sinnlosigkeit des Massentourismus von Maspalomas satt hatten, waren wir in die zauberhafte Bergwelt von Gran Canaria gezogen. Das hatte uns so gut gefallen, dass wir noch einen zweiten Ausflug wagten.

Das Bergdorf Firgas

In Firgas machte man aus der Not eine Tugend. Wenn man schon dauernd Treppen steigen muss, dann soll es wenigstens eine sein, die ein paar Touristen ins Dorf bringt. Also legten sich die Fliesenleger mächtig ins Zeug und verzierten die Stufen mit Azulejos, keramischen Kacheln, die die einzelnen Gemeinden von Gran Canaria und die Inseln des kanarischen Archipels darstellen. Nice!

Treppe mit Wasserfall in Firgas
Die Treppen von Firgas
Sitzbänke in Firgas mit farbigen Fliesen
Fast zu schön zum Sitzen
Kacheln in Firgas
Gekachelter Erdkundeunterricht
Waschende in Beton
Was will uns der Künstler damit sagen?
Kaktus
Kanarische Flora – der Gebirgskaktus

Der höchste Kirchturm der Kanaren steht in Arucas und gehört zur Parroqia de San Juan Bautista. Diese Kathedrale zeichnet sich dadurch aus, dass sie gar keine Kathedrale ist. Denn ohne passenden Bischof reicht es nur zur Kirche, egal wie hoch der Turm ist. Amtsanmassung auf katholisch, sozusagen.

Kathedrale von Arucas und Teddybär
Eine echte Kathedrale würde niemals solchen Kitsch neben sich dulden

Vulkanisches Erbe

Gran Canaria ist im Grunde genommen ein erloschener Vulkan, wie alle kanarischen Inseln. Das ist nicht zu übersehen und spätestens seit dem Ausbruch auf La Palma weiß man, was das bedeutet.

Vulkanische Steine am Meer
Vulkanische Überreste allerorten

Caldera de Bandama heißt der riesige Krater im Osten der Insel. Die Vulkane der Kanaren sind angeblich unterirdisch miteinander verbunden. Als ich von einem Stein heruntersprang, klang der Boden ziemlich hohl. Ganz sicher war ich mir nicht, aber ich meinte von unten ein dunkles Rumpeln zu hören.

Caldera de Bandama
Caldera de Bandama

Am nächsten Tag hörte ich in den Nachrichten, dass gegen alle Prognosen der Geologen der Vulkanausbruch auf La Palma nach vielen Monaten endlich zum Stillstand gekommen war. Gern geschehen. Man muss eben einfach nur Experten ranlassen.

Prinzessin Calima aus Afrika

Nach zwei Wochen Urlaubsidyll begannen eines Tages die Einheimischen zu tuscheln. Calima aus Afrika wurde gegen Abend erwartet. Meine Spanischkenntnisse hatten sich seit meinem letzten Bericht noch nicht wesentlich gebessert, deshalb konnte ich nicht genau verstehen, um wen es ging. Vermutlich die Prinzessin aus einem afrikanischen Land. Für rote Teppiche reichte es nicht aus, aber am Strand wurden die Masten mit roten Fahnen geschmückt. Schicke Fahrzeuge des roten Kreuzes fuhren aufgeregt am Ufer entlang und winkten die Touristen aus dem Wasser. Man wollte wohl einen guten Eindruck auf die Besucherin machen.

Und dann kam sie. Es stellte sich heraus, dass Calima keine Prinzessin, sondern ein Wetterphänomen war, das für zwei Effekte sorgte. Die Wellen wurden so stark, dass sogar die einheimischen Surfer ihre Bretter einpackten. Und der starke Ostwind wehte den Sand aus der Sahara auf die kanarischen Inseln herüber. Innerhalb einer Stunde stellten sich Feinstaubwerte ein, gegen die der Stuttgarter Pragsattel wie ein Luftkurort wirkt. Gut, dass man heutzutage immer FFP2-Masken griffbereit hat.

Calima Sandsturm auf Gran Canaria
Calima. Wenn Feinstaub die Sonne verhüllt.

Apropos Masken: die Spanier verhalten sich vorbildlich im Kampf gegen Corona. Trotz einer beeindruckenden Impfquote trägt hier jeder konsequent seine Maske. Die Hinweisschilder am Strand sind allerdings manchmal etwas irritierend. Wird Corona über die Füße übertragen? Aber ich hatte ja schon einmal erwähnt, dass man Schilder in Spanien eher nicht so ernst nimmt.

Maskentragepflicht
Menschen mit einer Größe von mehr als 2 m müssen keine Maske tragen
Abstandsregel
Männlein und Weiblein schön Abstand halten
Schuhpflicht
Gib Fußpilz keine Chance
Desinfektion
Nach jedem Tauchgang Entlausungsmittel auftragen
Kakteen mit Abstand
Sogar die Kakteen halten den Mindestabstand ein.

Unser Urlaub ging zu Ende und am letzten Abend gönnten wir uns ein typisch kanarisches Essen: Papas arrugadas mit Mojo. Das sind Babykartoffeln in der Salzkruste mit roter und grüner Sauce. Und wieder bestätigte sich ein Naturgesetz der Gastronomie: Die Größe der Portionen verhält sich umgekehrt proportional zum Preis. Aber lecker war es.

Dorade gebraten mit kanarischen Kartoffeln
Dorade mit Spuren von kanarischem Ziergemüse
Sonnenuntergang mit Kakteen im Gegenlicht
Sonnenuntergang am letzten Abend. Seufz. Schluchz. Heul.

Gran Canaria – Teil 1

Ein Bericht über die beliebten Dünen und den unbeliebten Wind. Und über einen Ausflug in die Berge, der den Lebensversicherungen tiefe Sorgenfalten in die Stirn meißelt.

Die Dünen von Maspalomas

Um dem winterlichen Trübsal in Deutschland zu entfliehen, mieteten wir ein Appartement in Gran Canaria. Über die dunklen Seiten des Massentourismus hatte ich schon einen eigenen Beitrag veröffentlicht. Aber es gibt hier auch wirklich beeindruckende Ecken, die das Herz des Naturliebhabers höher schlagen lassen. Beispielsweise die endlosen Dünen von Maspalomas, die für einsame Strandwanderungen bekannt sind. Zu bekannt, leider.

Sanddünen von Maspalomas mit Fussspuren
Einsame Wanderungen in den Dünen von Maspalomas…
Sehr viele Wanderer am Strand von Maspalomas
…sind eher die Ausnahme

Die kanarische Tourismusbehörde traut ihren Gästen offenbar nicht viel Verstand zu. Überall stehen Schilder, die vor den allgegenwärtigen Gefahren warnen. Aber man kann es auch übertreiben mit der Fürsorge.

Schild schwimmen verboten in Steinwüste
Auf diesen Steinen ist schwimmen verboten. Nur für den Fall, dass Jemand auf die Idee kommen sollte…

Der Wind trieb an manchen Tagen den Sand horizontal über den Strand. Zum Glück haben die SinnlosReisenden genau für solche Gelegenheiten ein Windschutzzelt im Gepäck. Als der Wind noch zulegte, mussten wir das Zelt allerdings wieder abbauen, denn es drohte zerfetzt zu werden. Während im Hintergrund die Kite-Surfer ihren Spaß hatten, kämpfte ich den Kampf meines Lebens beim Zusammenlegen des Zeltes. Hier ist die Dokumentation:

Die Bergwelt von Gran Canaria

Wir machten uns mit einem beängstigend kleinen Mietwägelchen an die Erkundung der Insel. Die GC200 gilt als gefährlichste Straße von Gran Canaria. Und in der Tat gibt es an dieser Steilküste keine Kurven, sondern Ecken, die man nur mit ausgeschaltetem Radio umfahren sollte. Denn die Busse und Lastwagen bremsen nicht, sie hupen. Damit geben sie ihre Vorfahrt aufgrund größerer Masse bekannt.

Kurivige Bergstraße
Kurvige Straßen
Wilde Steilküste in Gran Canaria
Steile Küsten
Bergdorf mit Terrassen
Idyllische Bergdörfer

Als Beifahrer sollte man schwindelfrei sein oder eine Kotztüte griffbereit halten. Belohnt wird man mit herrlichen Aussichtspunkten, wie beispielsweise El Balcon. Ein wunderbarer Ort, um die Risikolebensversicherung des ungeliebten Ehepartners endlich in Kapital umzuwandeln.

Aussichtsplattform El Balcon Gran Canaria
El Balcon (der Witwenmacher)
Sinnlos Reisender beisst in ein Sandwich und findet einen Zahnstocher
Autsch! Wie kommt der Zahnstocher in mein Sandwich???

Auf Gran Canaria gibt es mehrere Hundert Höhlenwohnungen, die seit Tausenden von Jahren bewohnt sind. Einige davon kann man auch zur Übernachtung mieten.

Höhlenwohnung
Caveman – Wohnen in der Höhle Nr. 22
Höhle auf Gran Canaria
Auch der Urzeit-Höhlenbewohner legte Wert auf eine gute Aussicht
Zwei Höhlen la Fortalezza
Doppelzimmer für Einsiedler
Palmen in den Bergen
Gebirgspalmen

So, genug für heute. Im zweiten Teil berichte ich dann über kanarische Vulkane und eine afrikanische Prinzessin.

Antelope Canyon und der Preis einer Seele

„Die ganze Welt wiegt den Wert einer einzigen Seele nicht auf.“ Gregor der Große, Papst, Rom 540-604.

„Normale Seele 1,00 €, Dinkel-Vollkornseele 1,50 €.“ Manfred Müller, Biobäcker, Ravensburg 2022.

„Dem Teufel seine Seele verkaufen“, diesen Ausdruck hatte ich schon öfters gehört. Aber wie geht das überhaupt? Kommt der Teufel einfach vorbei und macht ein Angebot? Oder fragt er, für welchen Preis man seine Seele hergeben würde? „Ey du Opfer, was ist niedrigste Preis?!“, wie bei Ebay-Kleinanzeigen? Was ist denn eigentlich ein fairer Preis für eine menschliche Seele?

Und überhaupt – warum hat es der Gehörnte so eilig? Er könnte doch einfach bis zum Tag des jüngsten Gerichts abwarten und dann quasi ohne Extrakosten die verlorenen Seelen einsammeln. Da muss doch etwas faul sein! Jedenfalls wäre es gut, wenn man den Wert seiner Seele so ungefähr wüsste. Nur für den Fall, dass man unerwartet in Geldnot gerät und sich eine Gelegenheit ergibt. Ich bekam eine erste Idee für den Wert einer Seele beim Besuch des Antelope Canyon in Arizona.

Dieser Canyon liegt am Stadtrand von Page, einer der jüngsten Städte der USA. Im nahe gelegenen Las Vegas boomten in den Fünfzigerjahren die Casinos (den Grund dafür habe ich in meinem Beitrag über die Stadt der Sünde schon beschrieben). Als der Strom für die ganzen Neonleuchtreklamen nicht mehr ausreichte, wurde der Glen Canyon Dam mit einem Wasserkraftwerk gebaut. Der Damm staute das Wasser des Colorado auf und erschuf den Lake Powell mitten in der Wildnis Amerikas. Da es damals weit und breit keine Städte gab, wurden für die Bauarbeiter und ihre Familien bescheidene Unterkünfte errichtet.

Panoramablick über Lake Powell
Lake Powell

Nach Abschluss der Arbeiten wollte die Baufirma die Kosten für den Rückbau der Siedlung sparen und bot den Arbeitern die überflüssigen Immobilien mitten in der Felsenwüste an. Wer damals beherzt zugriff, konnte sich an einer tollen Wertentwicklung erfreuen. Denn in den folgenden Jahrzehnten mauserte sich das staubige Wüstenkaff zu einem der beliebtesten Ferienorte Amerikas. Auf dem Lake Powell entwickelte sich ein Wassersport-Eldorado und die umliegenden Naturwunder zogen Scharen von Touristen an. Zum Beispiel der Horseshoe Bend, in dem ein mächtiger Felsblock den Colorado River zu einer überaus fotogenen Schleife zwingt.

Horseshoe Bend
Horseshoe Bend

Der Antelope Canyon liegt nur wenige Meilen von Page entfernt und doch gibt es immer wieder Missverständnisse über vereinbarte Zeitpunkte. Denn im Gegensatz zu Page gilt im Canyon die Sommerzeit. Man kommt dann am Ziel an, bevor man losgefahren ist. Das ist besonders toll, wenn man eine Tour zu einem festen Zeitpunkt gebucht hat.

Ein weiterer Stolperstein für den verwirrten Touristen ist die Tatsache, dass es streng genommen zwei Canyons gibt: Den Lower Antelope Canyon und den Upper Antelope Canyon. Sie unterscheiden sich dadurch, dass der eine unterhalb der Straße liegt und der andere oberhalb. Logisch. Und dass die gebuchten Tickets nur für einen von beiden gelten.

Lower Antelope Canyon
Gut beschriftet

Beide liegen auf dem Gebiet der Navajo Nation, die hier verschiedene Sonderrechte hat. Zum Beispiel das Recht auf Sommerzeit, unabhängig vom Rest des Bundesstaates. Und das Monopol auf touristische Vermarktung der Canyons. So wundert es nicht, dass man hier nur mit einem Navajo-Guide hineinkommt. Und es erklärt die Verkaufsstände mit traditionellen indianischen Schmuckstücken.

Wir fragten eine Verkäuferin mit auffallend indianischem Aussehen, ob wir sie fotografieren dürfen. Die Dame verneinte mit dem Hinweis, dass nach ihrem Glauben eine Fotografie die Seele des Abgebildeten schädigen würde. Als wir uns verständnisvoll abwendeten, fügte sie etwas leiser hinzu, dass der seelische Schaden mit einem Schmerzensgeld von zehn Dollar in bar repariert werden könne und ein Foto möglich wäre. Aber nur eines.

Da wir zehn Dollar für einen viel zu niedrigen Preis für eine Seele hielten, verzichteten wir auf das Bild und stiegen hinab in den Antelope Canyon. Von oben sieht der eher unscheinbar wie ein Riss im Boden aus, aber was die strömenden Fluten hier geschaffen haben, ist so schön, dass ich jetzt lieber meine Klappe halte und die Bilder für sich sprechen lasse.

Treppenabgang in den Lower Antelope Canyon
Unscheinbarer Abstieg
Im Antelope Canyon
Unten: eine andere Welt
Im Antelope Canyon
Farbpalette
Im Antelope Canyon
Sonnenuntergang
Im Antelope Canyon
Der Spalt
Sunbeam im Upper Antelope Canyon
Sun Beam
Im Antelope Canyon
Die perfekte Welle
Im Antelope Canyon
Licht und Schatten
Im Antelope Canyon
Verzahnt
Im Antelope Canyon
Blick nach oben
Im Antelope Canyon
Licht am Ende des Tunnels

Die Natur arbeitet übrigens immer noch weiter an diesem Kunstwerk. Wenn es in den Bergen etwas stärker regnet, entstehen die gefürchteten Flash Floods. Dann füllt sich innerhalb weniger Sekunden der Slot Canyon bis zum Rand mit tödlichen Wassermassen, wie man in diesem Video eindrucksvoll sehen kann. Wer davon überrascht wird, hat seinen Deal mit dem Teufel hoffentlich vorher rechtssicher abgeschlossen, denn dann bleibt nicht mehr viel Zeit.

Hast du dir eigentlich schon mal überlegt, wieviel deine Seele wert ist? Etwas mehr als beim Bäcker Müller sollte es bei aller Bescheidenheit schon sein…

Unbekanntes Spanien

In Spanien kennt sich mancher Deutsche besser aus als Zuhause. Deshalb will ich heute ein paar Gegenden für die Nachwelt dokumentieren, die vielleicht nicht so bekannt sind.

El Caminito del Rey

Er war einmal der gefährlichste Wanderweg der Welt, El Caminito del Rey (auf Schwäbisch: „s Königswegle“). Seit seiner Renovierung vor einigen Jahren ist er absolut ungefährlich. So ungefährlich, dass man ihn ohne Schutzhelm nicht betreten darf. Trotzdem ist er so beliebt, dass man Wochen im Voraus Tickets reservieren muss. Wir hatten enormes Glück und bekamen kurzfristig keine Eintrittskarten mehr. Denn genau an dem Tag, an dem wir den Weg bezwingen wollten, wurde er wegen starkem Wind geschlossen. Zu gefährlich.

Als Ersatzprogramm wanderten wir in der Sierra Cazorla am Rio Borosa. Der ist wirklich ungefährlich, aber ebenfalls schön. Nur die Schilder können den unerfahrenen Wanderer verwirren. Profis wissen, dass man in Spanien nicht auf Schilder achtet, daher ist es eigentlich egal, was drauf steht.

Verwirrende Schilder
Verwirrende Beschilderung. Darf man jetzt oder darf man nicht?
Rio Borosa
Rio Borosa
Cerrada de Elias
Gut ausgebaut: Cerrada de Elías
Schafherde
In der Sierra Cazorla. Ein schwarzes Schaf ist immer dabei.

Es gibt in Spanien eigenartige Gesetze. Es ist der Bevölkerung beispielsweise strengstens verboten, sich zwischen 14:30 und 17:00 Uhr im Freien aufzuhalten. Alle Geschäfte, Behörden und Bars verrammeln Fenster und Türen, als ob sie den Einmarsch der Armee der Untoten befürchten würden. Die einzigen Ausnahmen sind ein paar angetrunkene Gestalten, die nach zwei Flaschen Wein zum Mittagessen ihren Heimweg nicht rechtzeitig finden. Und Touristen wie wir, die ratlos in den ausgestorbenen Städten herumirren.

Menschenleerer Platz in Ubeda
High Noon in der Innenstadt von Ubeda
Häuser mit verschlossenen Fensterläden
Verrammelt

Nachtrag: Ich habe herausgefunden, wie das Gesetz heißt. Man nennt es Siesta.

Spiel mir das Lied vom Tod in Tabernas

Neben der Sierra Nevada liegt die Desierto de Taberna, eine Wüste in bester Wild-West-Manier. Hier wurden zahlreiche Filme gedreht, unter anderem Lawrence von Arabien und die Klassiker von Altmeister Sergio Leone, Spiel mir das Lied vom Tod und Für eine Handvoll Dollar. Die Kulissen bleiben nach dem Dreh stehen und werden bei den nächsten Aufnahmen wieder renoviert und umgebaut.

Wüste von Tabernas
Die Wüste von Tabernas
Blühender Busch in der Wüste
Die Wüste lebt!
Hollywood Sign in Spanien
Hollywood-Filiale in Spanien
Wildwest Kulisse
Wild-West-Kulissen
Route 66 in Spanien
Hä? Ich glaub ich bin im falschen Film.

Nationalpark Ebro-Delta

Einer der wenigen spanischen Flüsse, die das ganze Jahr über Wasser führen, ist der Ebro. Sein Mündungsdelta wurde zu einem Naturschutzgebiet deklariert. In den feuchten Wiesen im Umland wird Reis angebaut, den man hier überall in den Restaurants als Arroz Negro aufgedrängt bekommt. Das hat nichts mit dem N-Wort zu tun; es handelt sich um ein Risotto, das mit der Tinte von Calamares schwarz gefärbt wird.

Delta des Ebro
Im Delta des Ebro
Reisfeld im Ebrodelta
Spanischer Reis
Reisernte
Die Reisernte ist ein matschiges Geschäft
Arroz Negro, oder wie man heute sagen würde: „Rice of Color“
Eingang zum Nationalpark Ebrodelta
Naturpark Ebro: Seil nicht übertreten! Und wenn doch, dann Hunde an die Leine!
Frau  mit Skelett
Die SinnlosReisende: Leichen pflastern ihren Weg
Schild mit Vögeln
Warnschild für Vögel: Keine Menschen an den Nachwuchs verfüttern, nur Fische!

Sinnlose Skulpturen

Spanier lieben Skulpturen. In jeder noch so winzigen Ortschaft stehen mehr oder weniger kunstvolle Gestalten herum. Über den Sinn kann ich wie immer nur spekulieren.

Skulptur Kind mit Gans
Der junge St. Martin würgt seine Gans
Skulütur Frau mit Krokodil
Anwendung des Heimlich-Griffs als Erste Hilfe bei Reptilien
Bronzestatue mit Bocksprung Kinder
Bocksprung Quer – wenn Schienbein und Schädel Freunde werden…
Gesicht mit Augen
Fernblick
Skulptur Junge mit Schulranzen auf Schildkröte
Ich kann nichts dafür, meine Schildkröte hatte Verspätung!
Segelschiffe im Kreisverkehr
Kreisverkehr
Skulpturen tragen Sitzbank
Job mit Durchhaltevermögen
Skulpturen turnen über der Straße
Turngesellschaft mit Durchhänger
Graffity
Auf der rosa Wolke
Achtung Blitz!
Zu spät.
Skulptur Frau streckt Arm nach oben
Halt, SinnlosReisender, das ist genug! Verschone mich mit deinem Unsinn!
Mann sitzt auf überdimensionaler Bank
Also gut! Der kleine Marco muss jetzt eh nach Hause gehen.

¡Hasta luego!

Das Wunder von Córdoba

Eine Geschichte über Fußballwunder, architektonische Wunder, Blumen und Burgen

Córdoba ist ein feststehender Begriff aus dem Fußball, ähnlich wie Abseitsfalle oder Viererkette. An diesem Ort ereignete sich bei der Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien nämlich das Wunder von Córdoba, als der Underdog Österreich gegen den amtierenden Weltmeister Deutschland gewann und beide Mannschaften ausschieden. In Deutschland wird das gleiche Ereignis als die Schmach von Córdoba erinnert. Es kommt eben immer auf den Blickwinkel an.

Die Mezquita-Catedral

Das spanische Córdoba hat nichts mit Fußballwundern zu tun. Hier steht ein architektonisches Wunder: eine gotisch-maurisch-barocke Renaissance-Kathedralmoschee. Oder anders ausgedrückt: eine römisch-katholisch-muslimische Moscheenkathedrale. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Ich spreche von der Mezquita-Catedral de Córdoba.

Mezquita von Cordoba und römische Brücke bei Nacht
Unübersehbar, selbst bei Nacht
Orangerie der Mezquita von Cordoba
Die Orangerie vor der Mezquita

Wie es zu diesem Durcheinander kam? Nun, da waren wohl einige geschichtliche Zufälle im Spiel. Schon die alten Römer hatten die Bedeutung des Städtchens erkannt und bauten eine Brücke über den Guadalquivir und einen Tempel. Als das römische Reich wegen überbordender Dekadenz zerfallen war, errichteten die Westgoten eine christliche Kirche auf dem Fundament des römischen Tempels. Dann eroberten die Mauren halb Spanien und rissen das Haus der Ungläubigen ab. Sie waren aber mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit so weit vertraut, dass sie die Säulen der Kirche als Stützpfeiler für ihre Moschee wieder verwendeten.

Dann war lange Zeit Ruhe im Karton, beziehungsweise maurische Herrschaft, und jeder neue Herrscher bewies seine Macht durch eine Erweiterung und Verschönerung der Moschee. So wuchs das Gebäude im Lauf der Jahrhunderte auf eine gigantische Fläche von 23.000 qm an. Zum Vergleich: das ist zehnmal so groß wie die blaue Moschee in Istanbul, und die ist auch schon ziemlich beeindruckend.

Mezquita
Maurische Rundbögen auf gotischen Säulen
Maurische Rundbögen in der Mezquita
Gemusterte Hallen
Arabische Ornamente in der Mezquita
Arabische Ornamente

Irgendwann endete aber auch die muslimische Herrschaft in Andalusien, wie man hier nachlesen kann. Die Moschee wurde zu einer christlichen Kirche umdekoriert und das Minarett bekam eine Kirchenglocke. Ein übereifriger Bischof überredete dann im 16. Jahrhundert den ahnungslosen Kaiser Karl V. dazu, in der Mitte der Moschee eine Kathedrale einbauen zu lassen, komplett mit barocken Engelchen und pompösem Altargedöns. Nach zeitgenössischen Berichten soll Kalle dann bei seinem Besuch in Córdoba entsetzt gewesen sein, was er da angerichtet hatte.

Katholischer Altar in der Mezquita
Seite an Seite: Renaissance-Altar und maurische Rundbögen
Chorgestühl in der Kathedrale von Cordoba
Chorgestühl aus Mahagoni unter barockem Gewölbe
Goldener Adler in der Kathedrale von Cordoba
Rednerpult: Hier spricht der goldene Adler

Man kann natürlich geteilter Meinung sein, ob die krasse Durchmischung von Baustilen und Religionen in einem Gebäude schön ist, aber auf jeden Fall ist dadurch etwas weltweit Einmaliges entstanden. Fotos können nicht mal annähernd wiedergeben, wie beeindruckend dieses Bauwerk ist. Klare Empfehlung der SinnlosReisenden: Hinfahren, selber staunen! Eintritt 12€, früh Morgens am Nebeneingang kostenlos. Es lohnt sich!

Löwe und Totenkopf
Vertrau mir, ich bin ganz lieb!

Córdoba badet

Aber Córdoba bietet noch mehr als die Mezquita. Direkt nebenan wurden bei Ausgrabungen die Bäder des Kalifen entdeckt. Hier kümmerten sich zahlreiche Sklaven um den Badespaß der Kalifenfamilie. In den Schatten der Säulen wurden aber auch etliche Intrigen ausgeheckt und mancher Meuchelmord verübt.

Säulen mit Schatten im Bad des Kalifen
Im Schatten schleichen finstere Gestalten herum
Statue Frau mit Dolch in der Schulter
Aua

Córdoba und die Blumen

Córdoba ist berühmt für seine Blumenkunst. Überall hängen blühende Blumentöpfe an den Hauswänden. Und ein Blick in die Innenhöfe der Altstadt lässt das Floristenherz höher schlagen.

Innenhof mit Blumen
Hobbygärtner im Hinterhof
Statue mit Floristen
Denkmal des Unbekannten Floristen
Calleja de las Flores in Cordoba mit Glockenturm
Calleja de las Flores mit Blick auf den Glockenturm der Mezquita

Castillo de Almodóvar

Eine halbe Stunde von Córdoba entfernt liegt die Burg von Almodóvar. Der Burgherr hat die Anlage aufwändig restauriert und wohnt selbst im historischen Gemäuer. Die Burg wird gerne von Game-of-Throne-Fans besucht, denn hier wurde die Schlacht zwischen der Familie Lannister und dem Haus Rosengarten gefilmt.

Castillo de Almodovar del Rio
Castillo de Almodóvar del Rio
Balkon am Castillo de Almodovar
Die Mutter der Balkone

Im Ort unterhalb der Burg gibt es eine regionale Spezialität namens Salmorejo Cordobés. Das ist eine kalte dickflüssige Suppe, die nicht aus Lachs gemacht wird, wie man aufgrund des Namens und der Farbe vermuten könnte. Es handelt sich um eine vegetarische Delikatesse (wenn man die Speckwürfel abbestellt) aus Tomaten, Olivenöl, Brot und Knoblauch. Schmeckt extrem lecker, man ist aber wegen des Knoblauchs eine Weile lang vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.

Teller mit Salmorejo Cordobes
Lecker: Salmorejo Cordobés

So, liebe Leute, das war’s für heute. Ich melde mich wieder, wenn sich der Knoblauchduft verzogen hat.

Sinnlose Orte, die die Welt nicht braucht – Das Prager Metronom

Manchmal dauert die Ewigkeit kürzer als man denkt

Über den Ufern der Moldau steht die Installation „Time Machine“, die laut ihrem Erschaffer Vratislav Karel Novak den unerbittlichen Lauf der Zeit symbolisieren soll. Das umgangssprachlich als „Metronom“ bezeichnete Kunstwerk könnte aber auch die Verschwendung von Material (7 Tonnen) und Energie darstellen. Denn das Metronom wird von einem Elektromotor angetrieben und dreht sich einfach nur von links nach rechts und von rechts nach links. Und das endlos, ohne Sinn und Verstand. Nicht einmal eine bestimmte Taktfrequenz wird eingehalten, wie das bei anständigen Metronomen mit beruflichem Ehrgeiz üblich ist.

Das Prager Metronom von der Moldau aus gesehen
Das Metronom von der Moldau aus gesehen – ein roter Stachel im Fleisch der Geschichte

Dabei hat Prag bereits seit über 600 Jahren einen Zeitmesser, der sich gewaschen hat: die astronomische Uhr am Rathaus. Hier werden auf zwei Ziffernblättern jede Menge Informationen dargestellt. Oben werden neben der Uhrzeit die Sternzeit, die Planetenstunden, Sonnenauf- und untergang, Mondauf- und untergang, Dämmerungsphasen, die Mondphasen und die Jahreszeiten angezeigt.

Zusätzlich werden die böhmischen Stunden angezeigt, die eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang beginnen und bis 24 gezählt werden. Das sagt einiges über die Bedeutung des Nachtlebens in Prag aus. Außerdem zeigt die böhmische Uhr, in welchem Tierkreiszeichen sich Mond und Sonne jeweils befinden. Und das pünktlich seit dem Jahr 1420. Das ist schon erstaunlich, wenn man die Haltbarkeit heutiger Uhren bedenkt.

Astronomische Uhr am Rathaus Prag
Die astronomische Uhr in Prag

Das untere Ziffernblatt ist ein Kalender, der neben Tagen und Monaten die Namenstage der katholischen Heiligen anzeigt. Was aber die Touristen aus der ganzen Welt anzieht, sind die Figuren und Automaten. Zur vollen Stunde öffnen sich nämlich die beiden Fenster über der Uhr und über eine automatische Mechanik ziehen die zwölf Apostel an den Fenstern vorbei. Zum Abschluss kräht der Hahn über den Aposteln und der Sensenmann wendet das Stundenglas bis zur nächsten Stunde.

Touristen vor der astronomischen Uhr in Prag
Zur vollen Stunde staunt der Tourist

Mit diesem historischen Schwergewicht kann das Metronom sowieso nicht mithalten. Vielleicht hat der Künstler deshalb bewusst auf jeglichen Sinn verzichtet. Wenn man nach einer Daseinsberechtigung für das Metronom sucht, muss man schon in die Geschichte abtauchen. Denn das Metronom wurde genau an der Stelle errichtet, an der fünfzig Jahre zuvor ein noch sinnloseres Monument stand: das Stalindenkmal.

Als nach dem zweiten Weltkrieg klar wurde, dass die Sowjets sich aus der Tschechoslowakei nicht so bald wieder verkrümeln würden, dachte sich die Regierung etwas ganz Besonderes aus: Um den Diktator Stalin positiv zu stimmen, sollte ein überdimensionales Denkmal aus Granit bis in alle Ewigkeit auf die tschechische Hauptstadt herabblicken. Ein Wettbewerb wurde ausgeschrieben, an dem alle Bildhauer teilnehmen mussten. Ohne Ausnahme. Die Künstler versuchten mit allen Tricks, dieses ungeliebte Projekt nicht zu gewinnen, aber am Ende erwischte es denjenigen mit dem am wenigsten schlechten Entwurf.

Otakar Svec war der Unglückliche, der den Zuschlag bekam. In der Hoffnung, dass die Jury vor den enormen Kosten und der nahezu unmöglichen Realisierbarkeit zurückschrecken würde, hatte er ein Figurenensemble entworfen, das zum größten Denkmal Europas werden sollte. Er hatte hoch gepokert und wurde enttäuscht. Die Jury fand seinen Vorschlag würdig und angemessen und bestand auf einer Umsetzung.

Großer Verbrecher – großes Denkmal

Am 1. Mai 1955 fand mit viel Pomp die Enthüllung statt. Otokar Svec konnte diese Schande nicht ertragen und beging vier Wochen vorher Selbstmord. Der 17 Tonnen schwere Koloss aus Granit und Beton schien für die Ewigkeit gebaut. Allein Stalins Schuh maß zwei Meter. Doch die Ewigkeit dauerte in diesem Fall etwas mehr als sieben Jahre. Inzwischen hatte man nämlich in Moskau nachgedacht. Bei genauerer Betrachtung fand man Stalins Lebenswerk, das auf Terror, Genozid und vielen Millionen Toten basierte, nicht mehr zeitgemäß. Auf Befehl von Nikita Chruschtschow wurde das Monument 1962 gesprengt. Allerdings „respektvoll“, wie es offiziell hieß, ohne Filmaufnahmen und möglichst diskret.

Wie auch immer eine respektvolle, diskrete Sprengung mit Dynamit aussieht, jedenfalls lag das sinnlos gewordene Gelände dreißig Jahre lang brach. Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion traute man sich 1991 auf dem politisch belasteten Boden eine unpolitische Installation aufzustellen: das Metronom.

Sinnlose Orte, die die Welt nicht braucht – Karlsbad

Das Karlsbader Thermalwasser heilt angeblich alle Krankheiten (außer Dummheit, aber das ist auch keine anerkannte Krankheit). Ist das ein Naturwunder oder Kurpfuscherei? Die SinnlosReisenden waren vor Ort.

Das tschechische Karlsbad (bitte nicht verwechseln mit Carlsbad, Kalifornien) wurde im Juli 2021 in die Liste des UNESCO Weltkulturerbes aufgenommen. Diese Auszeichnung und die für tschechische Verhältnisse astronomischen Preise lassen eigentlich keinen Zweifel aufkommen: Hier muss es sich um einen ganz besonderen Ort handeln. Da man sich auf Informationen aus dem Internet nicht verlassen kann, planten wir auf unserer Tschechienreise einen Zwischenstopp in dem mondänen Kurort ein.

Die Altstadt von Karlsbad präsentiert dekorative Häuserreihen, in denen sich die Designerläden dicht an dicht drängen. Ein Thermalbad im klassischen Sinn fanden wir nicht, allenfalls einige Kurkliniken, in denen man sich „Anwendungen“ verordnen lassen konnte. Aber es gibt hier die sogenannten Kolonnaden, in denen das begehrte Heilwasser aus öffentlich zugänglichen Brunnen tröpfelt.

Altstadt von Karlsbad, Tschechien
Die Altstadt von Karlsbad
Marktkolonnade in Karlsbad
Die Markt-Kolonnade
Karlsbader Kolonnade mit Trinkbrunnen
Offener Ausschank von warmem Wasser
Sprudelkolonnade
Sprudelkolonnade mit zehn Meter Fontäne

Das Stadtbild wird dominiert von Scharen an Touristen, die mit eigenartigen Porzellanbechern durch die Gassen schlendern. Das Thermalwasser ist nämlich zwischen 50 und 70 Grad heiß. Wer einfach so aus den Brunnen trinkt, holt sich üble Verbrühungen. Die Karlsbader Schnabeltassenindustrie nutzt diese Zwangslage und verkauft an allen Ecken unglaublich geschmacklose Tassen zu Mondpreisen an die heilsuchenden Touristen. Das nenne ich eine clevere Geschäftsidee!

Verkaufsstand mit Schnabeltassen
Geschmacklose Schnabeltassen zu astronomischen Preisen

Wir kauften ein Schnapsglas und probierten von der Mutter der Heilwasser. Was soll ich sagen? Der Geschmack des warmen Wassers ist schwer zu beschreiben. Vor meinem inneren Auge erschienen Bilder von einem vergammelten Fisch, der sechs Monate zusammen mit einem toten Iltis und einem Sack voller Schweißsocken in der prallen Sonne vergoren wurde. Im Abgang kommt eine metallische Note dazu, die dezent an Zahnfleischbluten erinnert. Ich musste beinahe kotzen.

SinnlosReisender vor einem Trinkbecken
Ich hatte ein Thermalbad erwartet – und fand dieses appetitliche Trinkbecken
Wasserhahn in Karlsbad
Wenn Keime reden könnten…
Mann trinkt und es wird ihm übel
Nach dem ersten Schluck durchflutet den Körper eine Welle von Übelkeit
Szene am Trinkbrunnen
Das Wasser wirkt unterschiedlich: die Dame schwankt, dem Kind stehen die Haare zu Berge, der Mann ist kurz vor dem Erbrechen

Übertroffen in seiner Abartigkeit wird das Karlsbader Thermalwasser nur vom Becherovka, einem süß-bitteren Kräuterlikör, der ebenfalls eine Spezialität aus Karlsbad ist. In ihm hat Jan Becher das eklige Quellwasser mit Kräuterextrakten und flüssiger Lakritze „veredelt“ und in Flaschen abgefüllt. Sehr speziell.

Becherovka
Becherovka

Abends im Hotelzimmer suchte ich nach plausiblen Gründen, wie es dazu kommen konnte, dass dieses übelschmeckende warme Thermalwasser so begehrt wurde. Meine Recherche brachte nur bruchstückhafte Ergebnisse, aber in meinem Kopf entstand langsam eine Vermutung.

Die Geschichte von Karlsbad begann im finsteren Mittelalter. In dem trostlosen Tal lebten damals einige Bauernfamilien mühsam von Viehzucht und Ackerbau. Überall sprudelte schlechtes Wasser aus dem Boden, das sogar vom Vieh verschmäht wurde. Vermutlich verirrte sich eines Tages ein fahrender Händler in das Tal, denn andere Menschen hatten keinen Grund für einen Besuch. Gut möglich, dass er über eine heftige Grippe klagte, an der er seit über einer Woche litt. Wahrscheinlich prahlte einer der Bauern damit, dass ein Bad in den heißen Quellen seine Krankheit heilen würde. Es bleibt unklar, ob er dem Reisenden nur einen Streich spielen wollte, oder ob er selber daran glaubte, aber ziemlich sicher spielte Alkohol eine Rolle.

Am nächsten Tag hatte der Kaufmann einige Brandblasen, aber seine Grippe war tatsächlich besser geworden. Nach einem weiteren Bad war er so gut wie gesund. Die Grippe wäre wohl auch ohne die Bäder abgeklungen, aber Händler wussten damals, wie man Gelegenheiten nutzte. Ziemlich sicher füllte er sich gleich ein paar Flaschen ab, um sie teuer als Heilmittel zu verkaufen. Dabei rührte er kräftig die Werbetrommel und pries das Wasser als Allheilmittel gegen Rheuma, die Pest, den bösen Blick und alle sonstigen bekannten Krankheiten.

Als sich die Kunde von den heilenden Wassern verbreitete, machten sich die ersten Kranken selber auf den Weg zu den Quellen. Ähnliche Wunder waren damals durchaus üblich. Die Wissenschaft steckte noch in den Kinderschuhen und Ärzte richteten bei ihren Patienten oft mehr Schaden an, als dass sie Krankheiten heilten. Da war so ein Bad im warmen Wasser sicher die gesündere Alternative.

Irgendwann mussten die Gerüchte von den wundersamen Thermalquellen aus dem Böhmerwald auch Kaiser Karl IV zu Ohren gekommen sein. Der hatte ein sicheres Gespür für alles, was den Wert seines Reiches steigerte. Im Jahr 1370 beförderte er den Ort deshalb unbesehen zur Königsstadt und gab ihr den Namen Karlsbad.

Damit war der Startschuss für die Entwicklung des Badebetriebs gefallen. Es gab Zeiten, zu denen zehnstündige Badekuren verordnet wurden, die sogenannten Hautfresser. Denn dabei platzte am Ende die Oberhaut schmerzhaft auf, was man damals als Zeichen von Heilung interpretierte, weil böse Körpersäfte entweichen konnten. Kein Wunder, dass die so gequälten Patienten ziemlich schnell behaupteten, sie seien geheilt. Lieber krank als tot, dachte sich Mancher und entließ sich selbst.

Im 18. Jahrhundert wurden dann Trinkkuren eingeführt, anfangs mit der sagenhaften Dosis von etwa 60 Bechern am Tag. Wer diese Trinkfolter überlebte, galt ebenfalls als geheilt. Die Besuche von Zar Peter dem Großen und einigen Angehörigen der österreichisch-ungarischen Monarchie machten Karlsbad dann zu einem mondänen Kurort für zahlungskräftige Kundschaft.

Schafensterpuppen
Dieses Schaufenster zeigt, welches Stammpublikum in Karlsbad überwiegt

Bei unserem Besuch in Karlsbad waren wir von dem relativ jungen Publikum überrascht. Abends erkannten wir den Grund. Da wegen Corona die russischen und asiatischen Kurgäste ausblieben, wollte ein Event-Manager jüngeres einheimisches Publikum ansprechen. Und so kam es, dass nach Sonnenuntergang der DJ auf der Thermal Stage aufdrehte, dass die wummernden Bässe die Gebisse der Kurgäste auf den barocken Nachttischchen zum Klirren brachten.

Menschen stehen Schlange
Vor den Fenstern der Kurgäste sammelt sich partywilliges Jungvolk
Plakat Thermal stage
Feiern auf der Thermal Stage

So, nun hat das Internet eine weitere Quelle von Informationen, auf die man sich nicht verlassen kann. Wenn ihr mir nicht glaubt, fahrt selber hin. Spucktüten nicht vergessen! Bis bald, euer SinnlosReisender.

Taiji am Bodensee

Leben in Zeitlupe

Gerold hatte zu einem Taiji-Wochenendkurs am Bodensee eingeladen. Ein paar Grundkenntnisse im asiatischen Kampfsport kann man auf Reisen immer brauchen und daher meldete ich mich an. Von einer Meisterschülerin und Weltmeisterin kann man bestimmt eine Menge lernen.

Kursausschreibung Taiji am Bodensee
Programm an verlockender Location

Wir trafen uns am Freitag Abend zur Einführung auf einem Seegrundstück bei Radolfzell, das Felisa zur Verfügung stellte. Ihr Mann hatte extra ein Zelt als Schutz vor dem drohenden Regen aufgebaut. Das Wetter war diesen Sommer schließlich etwas unzuverlässig, um es mal milde auszudrücken. Leider hatte ein Platzregen am Tag zuvor das Zelt etwas mitgenommen.

Zerstörtes Zelt auf einer Wiese
Eigentlich eine gute Idee: ein Schutzzelt gegen Regen

So ein Platz direkt am See ist schon eine tolle Sache. Wir waren mitten in schönster Natur fast allein. Nur einige Stand-Up-Paddler kamen gelegentlich vorbei. Der wirklich einzige Nachteil an einem Seegrundstück ist, dass auch die Stechmücken das Seeufer schätzen. Wusstest du, dass eine Stechmücke mit einem Stich so viel Blut saugen kann, wie sie selbst wiegt, nämlich etwa zwei Milligramm? Es benötigt also 3-4 Millionen Mücken an einem Abend, um einen erwachsenen Menschen leer zu saugen. Beruhigend, nicht wahr?

Seezugang am Bodensee mit SUP
Mitten in der Natur

Von einem Qigong-Kompaktkurs wusste ich noch, dass hier eine eigene Sprache gesprochen wird. Die Wirbelsäule ist zum Beispiel „die Säule des Himmels“, der Handballen ist „der Palast der Arbeit“, zwischen den Nieren liegt „das Tor des Lebens“ und der Darmausgang wird als „Höhle der Winde“ bezeichnet.

Wenn man das Grundvokabular beherrscht, kann man damit ganze Sätze formulieren. „Der rote Drache schwimmt im Meer“ bedeutet, dass man seine Zunge im Mund bewegt. Und „dein roter Drache schlängelt sich vor meiner Höhle der Winde“ heißt dann „du kannst mich mal am Arsch lecken“. Wobei ein wahrer Meister so etwas nicht einmal denkt.

Mit verschiedenen Übungen versucht man dann, Körper, Atmung und Geist in Einklang zu bringen und die Energieflüsse durch die Meridiane anzuregen. Die Übungen haben meist sprechende Namen, wie „Das Boot ruhig über den See rudern“ oder „der schreitende Kranich“. Fortgeschrittene Meister erhöhen den Schwierigkeitsgrad und „rollen den Kaktus mit der Zunge über den Sand“. Oder so ähnlich.

Am Samstag Nachmittag trafen wir uns erneut am Seeufer zum Mückenfüttern. Zur Stärkung hatte ich vorher eine ordentliche Portion Kässpätzle mit gerösteten Zwiebeln zu mir genommen. Bevor wir uns mit den Seidenübungen beschäftigten, übten wir die „Stehende Säule“: man steht dabei wie eine Säule, bewegungslos. Das klingt erstmal nicht zu kompliziert, aber entscheidend ist die richtige Stellung und die innere Haltung.

Kappedäschlebrunnen in Radolfzell
Die Urform der „Stehenden Säule“: Kappedäschle in Radolfzell

Während wir mehr oder weniger entspannt als Säule herumstanden, gab Vera-D. Anweisungen: „Alles Schwere sinkt mit jedem Atemzug nach unten. Alles Leichte steigt nach oben.“

Ich konnte das nur teilweise umsetzen; die Kässpätzle lagen schwer in meinem Magen und weigerten sich beharrlich, nach unten zu sinken. Gleichzeitig suchten sich die Gase der Zwiebeln ihren Weg zur Höhle der Winde.

Taijiübungen auf einer Wiese
Übung macht den Meister

„In Gedanken verschmelzen Schulter und Hüfte, Ellbogen und Knie, Handgelenke und Fußgelenke miteinander zu einer Einheit“, forderte die Weltmeisterin. Dafür reichte meine Vorstellungskraft während des Kurses nicht aus. Erst durch intensives Üben gelang mir die Umsetzung.

Stehende säule
Mit Willenskraft wächst man über sich hinaus. Oder in sich hinein.

Am Ende der Übung hieß es: „Wir lassen die Hände langsam nach unten sinken und lassen uns dafür eine Minute Zeit.“

Eine Minute! Wie will man da einen Kampf gewinnen? Als Ingenieur gingen mir sofort einige Optimierungsideen durch den Kopf. Ich traute mir auf Anhieb zu, das Ganze in unter einer Sekunde zu schaffen. Mit etwas Übung auch deutlich schneller. Ich musste allerdings lernen, dass man im Taiji umso langsamer übt, je besser man wird. Und mir wurde schlagartig klar, dass ich nicht in einem Kampfsportkurs bin. Unglaublich, wie lange eine Minute sein kann! Vor allem, wenn man kurz vor einem Wadenkrampf steht.

Bei Konstantin fließt die Energie fast von alleine

Außerdem soll man bei den Übungen das Labyrinth der rennenden Gedanken leeren. Am besten an gar nichts denken. Und wenn man doch an etwas denkt, soll man nicht mehr daran denken. Das ist gar nicht so einfach, aber nach einiger Übung gelang es mir immer besser. Mein Gehirn war ein weißes Blatt. Nur die SUPs auf dem See konnte ich nicht aus meinen Gedanken verbannen.

Der Kopf ist leer. Beinahe.

Bei einer Übung zur Standfestigkeit sollten wir uns gegenseitig durch Schubsen aus dem Gleichgewicht bringen. Mein Übungspartner war Rudi, der Fels. Ich war chancenlos. Dann durften wir Vera-D. schubsen; sie war wie Wackelpudding, den man mit Zement angerührt hat. Unkaputtbar. Nach einer Weile lernte ich, dass man nicht mit Kraft dagegen drückt, sondern durch geschickte Gewichtsverlagerung die Kraft des Gegners in den Boden ableitet. Cool.

Als ich diese neue Fähigkeit stolz der SinnlosReisenden vorführte und mich breitbeinig vor ihr aufbaute, schaute sie mich kurz mitleidig an. Dann zog sie ihr Knie an und deutete einen Stoß zwischen meine Beine an. Bei solch unfairen Frauentricks zersplittert selbst der dickste Fels.

Am Sonntag lernten wir das Konzept von Yin und Yang und den Energieströmen kennen. Ich hatte mein halbes Berufsleben mit der Frage verbracht, wie man Energie bei einem Fahrzeug möglichst effizient in Bewegung umsetzt. Dass man aber mit der Kraft seiner Gedanken und durch gezielte Atmung die Lebensenergie in einzelne Körperregionen leiten kann, war mir neu. Ich bin noch am Tüfteln, aber vielleicht werde ich demnächst ein Patent für einen CO2-freien Antrieb anmelden.

Eine Teilnehmerin hatte sieben Jahre gebraucht, bis sie zum ersten Mal überhaupt Energie gespürt hatte. So lange konnte ich nicht warten und warf einen Schokoriegel ein.

Obwohl ich an diesem Wochenendkurs viel lernte, blieben bei mir noch ein paar Fragen offen (in Taijisprache: ich ging den ersten Schritt auf einem langen Weg). Aber es war eindeutig eine tolle Erfahrung mit wunderbaren Menschen an einem wunderschönen Ort. Und ich bin meinem Ziel näher gekommen, in jeder Situation meine innere Mitte zu finden.

Gekreuzigter Jesus am Bodensee vor der Insel Mainau
Alles eine Frage der inneren Haltung. Rechts: wehrt sich verkrampft gegen seine Lage. Mitte: resigniert, apathisch. Links: heiter-gelassen, neugierig auf die neue Erfahrung.

Ich mache normalerweise keine Werbung, aber wer mehr über Qigong und Taiji erfahren möchte (und dann ganz ernsthaft), kann sich hier schlau machen:

Qigong mit Gerold Gerber

Taiji mit Vera-D. Neumann

Rom, die Mafia und eine zickige Atombombe – Teil 3

Eine Atombombe macht Urlaub an der Adria und ein Mafioso kämpft mit der autofreien Zone.

Um die Geschichte zu verstehen, macht es Sinn beim ersten Teil anzufangen. Das ist aber deine Entscheidung.

Von Rom nach Ravenna

Von Rom aus fuhren wir mit dem Mietwagen an die Adria. In dem Küstenstädtchen Cattolica hatte die Saison noch nicht begonnen und der Strand war wie ausgestorben. Es gab unzählige Hotels mit typisch italienischen Namen wie Regina, Kursaal, Diplomat, International oder Boston. Am Strand standen die Sonnenschirme und Liegen militärisch exakt an der Schnur ausgerichtet und warteten auf die Gäste. Die Strandabschnitte waren mit Nummern von 1 bis 99 in Bereiche eingeteilt, die jeweils den Hotels zugeordnet waren. Ein Alptraum für den Individualreisenden.

Schirmständer am Strand
Vor der Saison sieht der Strand aus wie ein Militärfriedhof
Strand mit Liegen von oben
In der Hauptsaison:Strandabschnitte 63-75

Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Auto nach Ravenna, was nicht ungefährlich ist. Denn die Italiener hatten zahlreiche Straßen als autofreie Zonen deklariert. Immer wieder mussten wir abdrehen, um nicht versehentlich in die kameraüberwachten Gebiete einzufahren. Im Rückspiegel konnte ich sogar einmal beobachten, wie ein Fiat 500 in so eine verkehrsberuhigte Straße abbog und sofort von der Polizei gestoppt wurde.

Haus mit Kletterpflanzen zugewuchert
Haus in Ravenna – Spare nie an der Bezahlung des Gärtners…

Ravenna wurde von den römischen Kaisern als Flottenstützpunkt in der Adria gegründet, weil die großen Pinienwälder den Schiffsbau erleichterten und die Lage in einer Lagune gut zu verteidigen war. Als einige Jahrhunderte später das römische Reich allmählich in Auflösung begriffen war, zogen viele Adelige aus Rom und Mailand nach Ravenna. In dieser Übergangszeit zwischen Antike und Mittelalter entstanden die vielen gotischen Gebäude, die von außen mit ihren roten Ziegelsteinmauern eher unspektakulär aussehen. Aber innen tobten sich die Künstler mit gigantischen Mosaiken aus, die heute zum Unesco-Welterbe gehören.

Mosaiken in Ravenna
Mosaiken in Ravenna
Mosaiken in Ravenna
Bescheidenes Wohnzimmer

Wir gaben unseren Mietwagen in Venedig ab. Ich hatte mir in Gedanken schon schlimmste Horrorszenarien ausgemalt, weil ich im Internet über die Abzocker-Methoden von Sicilia Rent gelesen hatte. Aber der Mitarbeiter bei der Rückgabestation hatte erstaunlich wenig Interesse am Zustand des Wagens und kam nicht einmal aus seinem Häuschen heraus.

Zum Abschluss unserer Italienreise verbrachten wir noch ein paar Tage in der Lagunenstadt; darüber hatte ich schon in einer anderen Geschichte berichtet. Aber jeder Urlaub geht einmal zu Ende und schon bald standen wir in der Schlange vor dem Sicherheitscheck am Flughafen von Venedig. Mein Rucksack löste in der Durchleuchtungsanlage ein rotes Blinklicht aus. Der Securitymitarbeiter zog das Päckchen heraus, das ich im Kofferraum des Mietwagens gefunden hatte. Da hatte ich ja gar nicht mehr dran gedacht. Was denn da drin sei, wollte der Mann von mir wissen. Aber bevor ich antworten konnte, ging nebenan der Alarm los und der Securitytyp sprang seinen Kollegen zu Hilfe, die einen Mann überwältigten. Ich steckte das Päckchen wieder in meinen Rucksack und wir machten uns auf den Weg zum Gate.

Otto

Otto hatte miese Laune. Tagelang hatte er vergeblich die Küstenstädtchen abgesucht, als er endlich in Ravenna den Golf mit den deutschen Touristen entdeckte. Um ihnen den Weg abzuschneiden, nahm er eine Abkürzung durch eine kleine Gasse und gab Gas. Jetzt konnten sie ihm nicht mehr entwischen! Zwanzig Meter weiter wurde Otto von einer Polizeistreife gestoppt. Er war in die autofreie Zone gefahren. Fuck! Wozu bauten die Italiener Straßen, um dann ihre Benutzung zu verbieten? So etwas war in den USA unvorstellbar. Als er den Polizisten mit einer kleinen finanziellen Gefälligkeit milde stimmen wollte, reagierte der erst richtig unentspannt und hielt ihn 24 Stunden auf dem Revier fest.

An der Mietwagenrückgabe am Flughafen von Venedig zog Otto einen Mitarbeiter von Sicilia Rent aus dem Verkehr und übernahm seinen Job. Als die Deutschen den Golf abgestellt hatten, durchsuchte er den Wagen gründlich. Als ihm klar wurde, dass das Päckchen mit der Bombe nicht im Auto war, zog er seine Pistole und feuerte ein ganzes Magazin in den leeren Wagen. Er hatte gelesen, dass man seine Aggressionen möglichst sofort abbauen solle.

Ein paar Tage später wartete Otto ungeduldig in der Schlange am Sicherheitscheck des Flughafens von Venedig. Ein Anruf beim Vertreter der ehrenwerten Familie am Airport hatte genügt, um herauszufinden, dass die Deutschen heute nach Stuttgart flogen. Er hatte sich ein Ticket gekauft und mit einem kleinen Schmiergeld für einen Sitzplatz in der Reihe hinter den Deutschen gesorgt. Sein Plan war einfach: entweder konnte er die Bombe während des Fluges an sich nehmen oder er musste in Stuttgart am Gepäckband zuschlagen.

In der Schlange neben ihm öffnete ein Securitymitarbeiter den Rucksack des Deutschen und holte zu Ottos Entsetzen das Päckchen mit der Bombe heraus. Wenn das Sicherheitspersonal die Bombe in die Finger bekam, war das Spiel für ihn zu Ende. Er konnte nicht mehr erkennen, was dann passierte, weil in diesem Moment der Alarm an seinem eigenen Durchgang losging. Als er von einem Dutzend Polizisten umringt wurde, fiel ihm ein, dass er immer noch seine Pistole im Hosenbund stecken hatte. Als sich die Handschellen klickend um seine Handgelenke schlossen, sah er noch, wie der Deutsche das Päckchen wieder in seinen Rucksack steckte. Dann wurde Otto abgeführt.

Drei Monate hatte es gedauert, bis die Familie Otto aus dem Gefängnis frei bekam. Der Boss hatte sich persönlich nach Italien begeben und seine Beziehungen zur Regierung spielen lassen. Er hatte ihm nochmal sehr deutlich gemacht, was passieren würde, wenn Otto die Bombe nicht wieder beschaffen konnte. Er würde nie vergessen, wie das abgetrennte Glied seines kleinen Fingers in das Aquarium sank und von den Babypiranhas abgeknabbert wurde, bis nur noch der blanke Knochen übrig blieb.

Otto hatte sich die Adresse des Deutschen aus dem Mietwagenvertrag gemerkt, aber die war definitiv falsch. Vielleicht war dieser Tourist doch nicht so harmlos, wie er aussah. Jedenfalls schien er seine Spuren ganz geschickt zu verwischen. Aber Otto hatte noch ein paar Tricks auf Lager. Er zückte sein Handy und rief bei der EnBB an, dem Energieversorger in dieser Gegend. Er gab den Namen des Deutschen an und behauptete, er wolle einen Zählerstand für seine neue Wohnung durchgeben, habe aber gerade die Zählernummer nicht parat. Kein Problem, meinte die Kundenbetreuerin, sie habe nur eine einzige Zählernummer unter diesem Namen im System registriert, wie denn der Zählerstand laute? Otto überlegte nicht lange und las die Telefonnummer des Großraumtaxis vor, das neben ihm am Randstein parkte: 55555. Die Kundenbetreuerin bedankte sich und er kam zum entscheidenden Punkt. Ob das denn jetzt der Zähler in der Schwabstraße sei, warf Otto seine Angelfrage aus. Prompt biss die Kundenbetreuerin an. Nein, das sei nicht in der Schwabstraße, sie habe hier als Adresse im System die Ba….

Doch Otto erfuhr die Adresse niemals, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür des Großraumtaxis. Drei muskulöse Männer im Anzug umringten ihn. „Herr Panini, bitte steigen Sie ein“, sagte der Leiter des Einsatzteams. „Unser Chef von Europol hat ein paar Fragen an Sie“.

Hier geht’s zum vierten Teil

Kein Fez in Fes

Disclaimer: Leider erlebten wir bei unserem Urlaub in Marokko nichts Lustiges, daher gibt es diesmal einfach nur eine Bildergeschichte.

Wer Wortspiele verwendet, sollte zunächst die verwendeten Begriffe definieren. Ein Blick in den Duden Online hilft uns dabei:

  • Fes (auch Fez, Fès): Stadt in Marokko
  • Fez, der: Spaß, Ulk, Unsinn
  • Fez, der: (in den arabischen Ländern von Männern getragene) kappenartige Kopfbedeckung aus rotem Filz in Form eines Kegelstumpfes (mit einer Quaste). Herkunft: wohl nach der marokkanischen Stadt Fes, die möglicherweise der erste Herstellungsort war.

So, jetzt weißt du Bescheid. Aber Achtung, nicht verwechseln mit:

  • Fes, das: um einen halben Ton erniedrigtes f
  • FEZ, das: Abkürzung für Forschungs- und Entwicklungszentrum

Fes, die älteste Königsstadt Marokkos

Wir landeten an einem regnerischen Novembertag in Fes. Bei unserer Unterkunft war der Flughafentransfer inklusive und der Chauffeur wartete bereits. Er begrüßte mich überschwänglich, ignorierte die neben mir stehende SinnlosReisende und trug dann meinen Koffer zum Auto. Wir schauten uns irritiert an und die hochgezogenen Augenbrauen zeigten die Begeisterung über diese Behandlung. Ich übernahm den Koffer der SinnlosReisenden, was wiederum den Chauffeur irritierte, aber so waren wir wenigstens quitt.

Diese konsequente Missachtung des weiblichen Teils unserer zweiköpfigen Reisegruppe zog sich durch den kompletten Urlaub. Liebe Marokkaner, es ist nicht klug, die Hälfte der Menschheit zu ignorieren! Besonders, wenn man in der Tourismusbranche arbeitet und von ihrem Geld lebt. Ratet mal, welches Land auf unserer schwarzen Liste mit No-Go-Destinations gelandet ist? Richtig.

In Fes wohnten wir mitten in der Medina, so nennt man hier die Altstadt. Unser Riad, ein traditionelles Stadthaus, lag in einer verstörend dunklen Gasse und sah von außen wie eine Bruchbude aus. Als wir schon grobe Zweifel an der Hotelauswahl bekamen, wurden wir in einem prachtvollen Innenhof mit Minztee begrüßt.

Dunkle Gasse
Nur für Mutige: der Weg zur Unterkunft
Alte Tür
Eingangstür zum Riad. Klopfe, und dir wird aufgetan!
Schöner Innenhof eines Riad
Außen pfui – innen hui
Wand mit orientalischen Ornamenten verziert
Im Innenhof des Riad
Blick von der Dachterrasse auf Fes
Dachterrasse
Marokkanisches Restaurant mit schönem Innenhof
Auch die Restaurants haben wunderschöne Innenhöfe
Innenhof eines Restaurants in Fes
Blick aus dem ersten Stock

Die Tanneries von Fes

Am Stadtrand von Fes zeugen Ruinen von der einstigen Bedeutung der Stadt. Der Eingang in die Medina von Fes wird vom blauen Tor markiert. Dahinter beginnt ein Labyrinth von malerischen Gässchen, die bei gutem Wetter zum Bummeln einladen. Wir hatten allerdings ein hartnäckiges Tiefdruckgebiet gebucht und der Regen verwandelte die Altstadt in einen stinkenden Moloch. Aus den Teestuben starrten mürrische Männergruppen und der beißende Gestank der Gerbereien zog durch die Gassen. Außerdem: ein aufdringlicher Bettler beschimpfte uns als Nazis. Was wir definitiv nicht sind! Nicht mal ansatzweise.

Ruine mit Pferd vor blauem Himmel
Ruine mit Pferd
Ruinen in Fes
Bröckelnde Zeitgeschichte
Blaues Tor in Fes
Das blaue Tor markiert den Eingang in die Medina von Fes
Esel in einer Gasse angebunden
Parkplatz in der Innenstadt

In Fes gibt es mehrere Tanneries, in denen Leder auf traditionelle Weise gegerbt und gefärbt wird. Angeblich wird keine Chemie sondern nur natürliche Stoffe verwendet, aber den ganzen Tag barfuß in Taubenkot zu waten, ist auf Dauer auch nicht gesund. Zuerst werden die Haare von den Fellen in Kalkbädern entfernt, danach werden die Lederstücke gefärbt und geschmeidig gemacht. Und dann an die Touristen verkauft. Wie die Arbeiter den Überblick über den Inhalt der vielen Becken behalten, bleibt ein Rätsel.

Tannerie, Ledergerberei in Fes
Tannerie in der Altstadt von Fes
Kalkbecken in der Tannerie
In den Kalkbecken werden die Haare vom Fell entfernt
Färbebecken in der Tannerie
Färbebecken. Schutzkleidung wird überschätzt.
Arbeiter färbt ein Lederfell
Für die Touristen ist es Handarbeit, für die Arbeiter ein knochenharter Job

Mobilität in Marokko

Um dem schlechten Wetter zu entkommen, ließen wir uns von einem Taxi an den Flughafen bringen, wo wir einen Mietwagen gebucht hatten. Es ist verboten, beim Fahren ein Handy zu benutzen. Daher musste unser Taxifahrer zwei Handys benutzen, während er auf einer vierspurigen Straße fuhr. Auf Youtube kannst du das genauer anschauen.

Taxifahrer benutzt zwei Handys während der Fahrt
Taxifahrer im Multitaskingmodus

Autofahren in Marokko ist vergleichsweise unproblematisch, man muss allerdings auf die Esel aufpassen, die immer wieder die Straße bevölkern. Die Straßenschilder sind zweisprachig und die Fernstraßen sind in recht gutem Zustand.

Verkehrsschilder in Marokko
Klangvolle Namen
Arabisches Stopschild
Selbsterklärend
Männer laden Gasflaschen vom Lkw auf einen Esel
Multimodale Mobilität: Wo der Lkw nicht weiterkommt, übernimmt der Esel
Mann reitet auf Esel im Regen
Mistwetter
Motorrad Docker mit Container
Insiderwitz für Informatiker: Docker mit Container
Mann in Berberkapuze steht am Straßenrand
Obi Wan Kenobi wartet auf den Bus…
Mann in Berberkleidung steigt in Auto
…um dann doch das Auto zu nehmen

Von Meknes nach Rabat

Wir fuhren durch hügelige Landschaften nach Meknes, einer weiteren ehemaligen Königsstadt. Die aufwändigen Mosaiken erinnerten uns an die Alhambra in Andalusien und wir bekamen das beste Frühstück aller Zeiten serviert.

Goldbraune Hügel bei Meknes
Hügellandschaft
Palast in Meknes
Einer der zahllosen Paläste
Alte Frau sitzt vor Palast in Meknes
Warten auf besseres Wetter
Frühstück auf Marokkanisch
Königliches Frühstück

In Rabat besuchten wir die Andalusischen Gärten, die wegen ihrer Ruhe von Katzen sehr geschätzt werden. Für eine Hauptstadt geht es hier eher gemütlich zu. Vielleicht trägt die Lage am Meer zu einem entspannten Lebensstil bei.

Katzen schlafen im andalusischen Garten
Katzen in den Andalusischen Gärten
Mann schläft auf Fischernetz mit Regenschirm
Nach der Arbeit trägt der Fischer Anzug
Ruinen der Almohaden Moschee in Rabat
BER von Rabat: Hassan-Turm und Moschee warten seit 800 Jahren auf ihre Fertigstellung
Minarett mit Palmen in Rabat
Minarett in Rabat
Friedhof von Rabat im Abendlicht
Wenn die Schatten auf dem Friedhof länger werden, wird es Zeit zu gehen

Die Sonne von Rabat versöhnte uns ein wenig mit dem anfänglich miesen Wetter und wir flogen nach einer Woche wieder nach Hause. Unter dem Strich ist Marokko sehr sehenswert. Man darf sich halt nicht an diesem landestypischen Männer-Frauen-Dingens stören.

Buntgekleidete Frauen auf der Wand einer Bücherei in Marokko
Frauenbild

Salzburg

Von Mozartkugeln und Zwergerln

Salzburg steht ganz im Zeichen des berühmten Malers und Bildhauers Johann Wolfgang van Mozart. Oder so ähnlich. Wen es interessiert, der kann ja selbst mal recherchieren. Jedenfalls wurde Mozart weltweit bekannt durch die Erfindung der Mozartkugel. Es gibt hier Mozarts Geburtshaus, Mozarts Wohnhaus, Mozarts Scheißhaus und jedes zweite Cafe ist nach ihm benannt. Man kann den Raum besichtigen, in dem er zum ersten Mal Klavier spielte, wo er sich seine ersten Pickel ausdrückte und wo er sich nach dem ersten Vollrausch übergab, angeblich in G-Moll.

Cafe Mozart in Salzburg
Hier wird die kleine Nachtmusik zur Mozartkugel gespielt

Nun kann man sich nichts dafür kaufen, dass das Genie zufällig hier geboren wurde, aber Salzburg hat noch einiges Anderes zu bieten als Erinnerungen an einen verstorbenen Weltstar. Zum Beispiel die Festung Hohensalzburg, hier im Hintergrund. Im Vordergrund ist die goldene Mozartkugel zu sehen.

Festung Hohensalzburg und Goldkugel
Über der Mozartkugel thront die Festung

Auf der Festung wurden innovative Foltermethoden für Insekten entwickelt, wie dieser Holzpranger mit Löchern für sechs Beine und zwei Fühler beweist. Außerdem eine mechanische kurbelgetriebene Wandtrompeteninstallation, um gegnerische Spione mit Blasmusikfolter zum Geständnis zu bringen. Das wahre Grauen erkennst du auf Youtube.

Holzpranger
Folterwerkzeug für sechsbeinige Insekten
Mechanische Trompetenanlage
Blasmusikfolter

Auf der Festungsbahn wird jede Viertelstunde ein knallhartes Duell ausgetragen. Die beiden Bahnen fahren auf ein Signal gleichzeitig los, schießen mit einem Affentempo mit Kollisionskurs aufeinander zu, bis in letzter Sekunde einer der beiden Wagons die Nerven verliert und ausweicht. Geheime Aufnahmen dokumentieren den Wahnsinn:

Festungsbahn Salzburg
Zwei Bahnen auf Kollisionskurs
Festungsbahn Salzburg
Hier entscheidet sich das Duell – Rechts oder links?
Festungsbahn Salzburg
Der Gegner hatte die schwächeren Nerven und weicht aus
Festungsbahn Salzburg
Es war haarscharf, aber diesmal ging es gut aus

Allein schon für den atemberaubenden Blick auf die Salzburger Altstadt lohnt sich die höllische Fahrt trotzdem.

Blick auf den Salzbueger Dom
Blick von der Festung auf den Dom mit der goldenen Mozartkugel
Im Salzburger Dom
Vor dem Dom: Das Böse muss draußen bleiben

In Salzburg muss man zu den Katakomben nach oben in die Berge klettern. Nach Skeletten oder Totenköpfen sucht man hier vergebens, denn die wurden längst weggeräumt. Die Putzkolonnen sind so emsig, dass sogar die Gräber auf dem Friedhof mit Gittern abgesperrt werden.

Katakomben von St. Peter in Salzburg
Katakomben und vergitterte Gräber im St.-Peters-Friedhof
Blick auf Kirchen in Salzburg
Blick aus den Katakomben: Kirchturmparade

In der Salzburger Altstadt lohnt es sich, den Blick ab und zu nach oben zu richten. Die Geschäfte übertrumpfen sich gegenseitig in einem irrwitzigen Wettbewerb zur Gestaltung ihrer Firmenschilder. Selbst der amerikanische Gummibrötchenproduzent passt sich den lokalen Gegebenheiten an.

Ein weiteres Highlight ist das Schloss Mirabell mit seinem Garten und den interessanten Statuen. Der Eingang wird von einer Löwen-Ziegen-Einhorn-Sphinx bewacht. Ein Schlossherr von Format kümmert sich um seinen Hofstaat, der aus Beamten, Bediensteten und Gartenzwergen besteht. Konsequenterweise hat der Schlossherr von Mirabell einen eigenen Zwergerlgarten anlegen lassen, in dem die marmornen Gartenzwerge ihren Platz finden. Beim Betrachten der Figuren fragt man sich unwillkürlich, aus welchem Irrenhaus der Bildhauer wohl seine Modelle genommen hat.

Blick von Schloss Mirabell auf Festung Hohensalzburg
Schöne Aussichten
Statue Einhorn Sphinx
Parkwächter

Nur ein klein wenig außerhalb der Kernstadt konnten wir eine erstaunlich reichhaltige Tierwelt beobachten. Der geduldige Fotograf findet Murmeltiere, Fischotter, Braunbären, Elche, Pandas und mit ganz viel Glück sieht man einen der seltenen Alpen-Jaguare oder zwei.

Murmeltiere
Stehimbiss
Fischotter
Neugieriger Baumbewohner
Braunbär schläft
Mittagsschläfchen am Bach
Ein Rentier
Ausgefranster Vielender
Roter Pandabär ruht auf einem Baum
Der rote-weiß gestreifte Panda – Österreichs Wappentier
Zwei Jaguare laufen durchs Gras
Alpenjäger auf der Pirsch
Verkeilte Panzer
Weißer Gibbon läuft aufrecht
Der Yeti von Salzburg

Am späten Nachmittag verließen wir den Tierpark Hellbrunn und brachen zu unserem Campingurlaub auf. Dazu wird es aber in Kürze einen eigenen Beitrag geben.

El Arenal

Ein Bericht aus dem Gefühlsleben eines Vulkans

Der Arenal im Hochland von Costa Rica wurde von der einheimischen Bevölkerung lange nur „der Berg“ genannt. Das ärgerte ihn maßlos, denn einerseits drückte dieses Weglassen seines Namens eine unterschwellige Geringschätzung aus. Andererseits ignorierte die Bezeichnung „Berg“ seine vulkanische Abstammung, die bis zur Geburt der Kordilleren zurückreichte, und darauf war der Verschmähte sehr stolz. Ein Vulkan hat schließlich auch Gefühle, wie jeder Berg.

Und dann immer diese Sticheleien! Die Geologen zeigten überhaupt kein Interesse, weil er angeblich zu jung sei, um etwas Interessantes zu entdecken. Pah. Und das ausgerechnet von diesen Menschen, die ja erst neulich auf der Erdoberfläche erschienen waren. Als ob 100 Millionen Jahre zu jung wären. Der Arenal zeigte seinen Ärger niemals offen, sondern fraß ihn in sich hinein. Er brütete eher introvertiert vor sich hin, wie es der Natur der meisten Berge entspricht. Aber der Druck in seinem Inneren stieg und stieg.

Vulkan El Arenal im Wald
Sieht eigentlich ganz friedlich aus, der Berg

Eines Tages im Jahr 1968 war das Fass dann aber endgültig voll. Als sich ein Bauer aus dem Dorf Tabacon laut darüber beklagte, dass im Schatten des Berges sein Gemüse nicht genug Sonne bekäme, reichte es ihm. In einem gewaltigen Wutausbruch kotzte er einen Lavastrom aus und radierte das Dorf von der Landkarte. Seitdem nennen die Leute ihn nur noch „der Vulkan“ und senken die Stimme ehrfürchtig, wenn sie von ihm sprechen. Na gut, dass dabei 80 Menschen ums Leben kamen, war nicht seine Absicht gewesen. Aber so genau kann man eben auch nicht zielen, zumal wenn man als Vulkan etwas aus der Übung ist. Als Warnung stößt der Arenal immer mal wieder ein kleines Rauchfähnchen aus, macht sich mit einem bedrohlichen Rumpeln bemerkbar und wirft ein paar Felsbrocken aus seinem Krater. Wenn man sich unter den Top 10 der weltweit aktivsten Vulkane halten will, muss man halt immer am Ball bleiben.

Am Fuß des Vulkans liegt der Arenal Nationalpark. In Internetforen beklagen sich unzufriedene Besucher darüber, dass es hier kaum Tiere zu sehen gäbe. Das stimmt aber gar nicht – man muss nur etwas genauer hinschauen.

Blattschneiderameise trägt ein Blatt
Tierwelt im Arenal Nationalpark

Eine Blattschneiderameise ist nun vielleicht keine Sensation, aber ein ganzes Volk davon kann einen Baum in wenigen Tagen kahl scheren (und ein Pferd in einem Tag bis auf die Knochen abnagen; aber das ist ein unbestätigtes Gerücht). Und wo Ameisen sind – da ist ein anderer Zeitgenosse nicht weit. Als es neben dem Weg im Unterholz raschelte, verhielten wir uns ruhig und dann spazierte in aller Seelenruhe ein Ameisenbär an uns vorbei. Ich hatte immer gedacht, diese Tiere wären blau, weil ich in meiner Kindheit ein Fan der blauen Elise war, die im Vorabendprogramm vergeblich den Termiten nachstellte.

Ameisenbär überquert den Weg
Freund der Ameisen

Und wer nicht im Stechschritt durch den Dschungel rennt, sondern sich etwas Zeit lässt, der findet auch mal Tiere, die nicht so ins Auge springen.

Snake in rain forest
Manche Tiere wollen gar nicht gesehen werden. Erst wenn es zu spät ist.

Ganz in der Nähe, am Ufer des Arenalsees, steht ein gewaltiger Ceiba Tree, der angeblich James Cameron zu dem Wohnbaum der Na‘vi im Film „Avatar-Aufbruch nach Pandora“ inspiriert hatte. Die Ureinwohner Mittelamerikas verehrten diese bis zu 75 Meter hohen Bäume als Verbindung zwischen Himmel, Erde und Unterwelt. Fotos können die Größe dieses Baumes nicht wiedergeben; es ist einfach nur ein ergreifendes Gefühl, darunter zu stehen.

großer Ceiba Tree
Unter dem Ceiba-Baum – Größe ist relativ

Von den häufigen Vulkanausbrüchen unbeeindruckt bauten die unerschrockenen Ticos das Städtchen La Fortuna, denn hier zeigt der Vulkan seine sonnige Seite: es gibt massenweise natürliche Thermalquellen mit herrlich heißem Wasser. Wir verzichteten auf die Designerbäder der Edelhotels und besuchten die Termalitas del Arenal, wo sich die einheimischen Großfamilien zum Picknick mit Grillvergnügen trafen. Meine mangelhaften Spanischkenntnisse machten sich hier schmerzlich bemerkbar, aber Bilder versteht man ja auch ohne Worte.

Termalitas del Arenal in La Fortuna
Thermalbad mit Heizkraftwerk im Hintergrund
Küssen verboten Schild
Beim Küssen nicht den Partner gegen das Schienbein treten!
Tafel mit Verbot im Freibad
Verboten: Kinder dürfen spielenden Erwachsenen nicht auf den Po hauen!
Warnschild Wassertemperatur und Wassertiefe
Doppelgefahr: Heißes Wasser und Untiefen. Vorsicht beim Köpfer!
Warnschild Blutdruck
Nach 20 Minuten steigt der Blutdruck bis die Arterien platzen!

Um uns etwas abzukühlen, machten wir einen Ausflug zum Rio Celeste. Unterwegs streiften wir ein Highlight der Biodiversität, die Nebelwälder. Hier findet man im dauerfeuchten Klima auf einem Quadratkilometer mehr verschiedene Baumarten als in den ganzen USA. Der einzige Nachteil am Nebelwald ist – ähm, der Nebel.

Nebel auf der Straße im Nebenwald
Im Nebelwald

Der Rio Celeste liegt etwas abseits im Tenorio Volcano National Park und ist nur durch eine einstündige Wanderung erreichbar. Zwei kristallklare Bäche vermischen sich hier zu einem absolut unglaubwürdig leuchtenden Türkiston.

Entstehung des Rio Celeste
Hier entsteht der Rio Celeste aus zwei klaren Bächen. It’s magic!
Türkise Farbe im Rio Celeste
Wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, glaubt man es nicht

Es gibt zwei Theorien zur Erklärung dieses Naturspektakels: Die Einen sind davon überzeugt, dass die Götter hier als Beweis ihrer Allmacht ein Stück des Himmels auf die Erde gebracht haben. Die Anderen behaupten, es sei ein physikalischer Effekt namens Mie-Scattering, bei dem Aluminiumsilikat, PH-Werte und eine Wellenlänge von 566 Nanometern eine Rolle spiele. Man kann sich aber auch einfach nur über den Anblick freuen.

Wasserfall am Rio Celeste
Pool mit Dusche mitten im Dschungel
Hängebrücke über den Rio Celeste
Nur für Einzelgänger

Auf dem Rückweg entdeckten wir eigenartige Blüten und einen dieser neugierigen Nasenbären neben dem Weg. Diese Allesfresser haben sich genau wie die Waschbären in Nordamerika an die Menschen gewöhnt und kontrollieren regelmäßig die Parkplätze.

Pink Flower
Der Dschungel blüht
Nasenbär im Wald
Naseweiser Nasenbär
Nasenbär am Parkplatz
Nasenbär nimmt die Fahrzeugparade ab

Der Koloss von Rhodos

Angenehm ist am Gegenwärtigen die Tätigkeit, am Künftigen die Hoffnung und am Vergangenen die Erinnerung (Aristoteles)

Der Unterschied zwischen Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft ist eine Illusion,
wenn auch eine sehr hartnäckige (Albert Einstein)

Die karibische Sonne wärmt meine Haut. Ich genieße den Anblick des glitzernden türkisfarbenen Wassers mit den Palmen an diesem herrlich weißen Sandstrand. Es riecht nach Kokosnuss und Sonnenbrand. Leise Reggaemusik weht von einer Strandbar herüber. Im Liegestuhl neben mir liegt die SinnlosReisende mit einem Longdrink in der Hand. Nicht mehr ganz taufrisch mit ihren hundertvierzig Jahren, aber immer noch unternehmungslustig.

Wir hatten uns vor etwa neunzig Jahren kennen gelernt. Damals bezahlte man noch mit echtem Geld, das die Menschen mit Arbeit verdienten, lange bevor künstliche Intelligenz und Roboter menschliche Arbeit überflüssig machten. Es gab noch verschiedene Staaten und viele Länder hatten eine eigene Währung, obwohl es auch damals schon Bemühungen zur Vereinheitlichung gab. Wenn ich mich richtig erinnere, war das die Zeit, in der viele Länder Europas mit dem Euro bezahlten, der ein paar Jahre später von der griechischen Drachme als Weltwährung abgelöst wurde.

Die gewieften Griechen hatten jahrzehntelang EU-Hilfen in Billionenhöhe erhalten, die sie unbemerkt von der Weltöffentlichkeit in Olivenöl investierten. Beim Versiegen der Erdölquellen kam die Stunde der Griechen. Sie waren die Einzigen, die den Hunger der Welt nach Öl stillen konnten und sie ließen sich ihre Vorräte vergolden. Die Griechen kauften alle Staatsbanken mit einem Schlag auf und wurden die neue Weltmacht.

Ich beende die Jamaica-Simulation, steige aus meinem 7D-Virtual-Reality-Ganzkörperanzug und kehre in die nicht ganz so glitzernde Wirklichkeit zurück. Das Display auf der Wand unseres Appartements zeigt bescheidene zwölf Grad Celsius, die mein Karibikfeeling rasch herunterkühlen. Da die staatliche Rente beim Finanzkollaps durch eine monatliche Ration griechischer Schafskäse ersetzt wurde, reicht unser Geld gerade noch für ein paar virtuelle Urlaubsreisen. Immerhin schickt die Firma, in der ich dreißig Jahre lang gearbeitet hatte, jedes Jahr einen Brennstoffzellen-Ersatzantrieb für unsere Flug-Rollstühle.

Aus dem 3D-Drucker lasse ich mir ein Stück Linzertorte und einen Kaffee raus. Dann denke ich „Neue Geschichte erfassen!“ und die Textverarbeitungs-App fährt aus der Private Cloud der Altenwohnsiedlung hoch. Nebenbei hatte ich uns ein kleines Zusatzeinkommen als Geschichtenerzähler erschlossen. Heute möchte ich über unsere Reise nach Rhodos im Jahr 2018 berichten. Damals musste man Texte noch auf Tastaturen mit den Fingern eintippen. Kaum vorstellbar, wie mühsam und umständlich das war. Heute ist die Brain-2-Blog-Schnittstelle direkt mit meinem Gehirn verknüpft, was die Sache sehr viel einfacher macht. Der einzige Nachteil dieser Methode ist, dass tatsächlich jeder Gedanke aus dem Gehirn kopiert wird. Da muss man als Autor schon sehr aufpassen, dass man nicht an die falschen Dinge denkt.

In der ersten Version enthielt diese Software noch eine kostenlose Brain-2-Brain-Schnittstelle. Damit konnte man seine Gedanken ohne Worte direkt austauschen, quasi wie Telepathie. Als einen Monat nach der Einführung über neunzig Prozent der Frauen ihre Männer verlassen hatten, brachte die Softwarefirma rasch ein Update. Man konnte dann zwischen verschiedenen vorgegebenen Antworten wählen, die auf die gefährlichste aller Frauenfragen passen: „Schatz, woran denkst du?“

Aber ich schweife ab. Hier ist die Geschichte. „Textaufzeichnung starten!“

Der Koloss von Rhodos

Der Koloss von Rhodos war eine dreißig Meter hohe Bronzestatue des Sonnengottes Helios. Er wurde dreihundert Jahre vor Christus gebaut und war das kurzlebigste der sieben antiken Weltwunder. Denn schon nach sechzig Jahren legte er den Grundstein für den bis heute zweifelhaften Ruf der griechischen Bauindustrie und stürzte bei einem Erdbeben ein. Und wie ein griechisches Sprichwort sagt: „Ein Übel, das gut liegt, soll man nicht bewegen“. Daher gammelte das Weltwunder lange vor sich hin, bis arabische Altmetall-Händler den Schrott nach Ägypten verschifften. Da es damals noch keine Smartphones gab, streiten die Historiker bis heute über den Standort der Statue. Sicher ist nur, dass der Koloss nicht über der Hafeneinfahrt von Rhodos stand. Bei der Entstehung dieser Legende spielte wohl der griechische Wein eine Rolle.

Historischer Palast in Rhodos
Historisches Gemäuer in Rhodos. Stand hier vielleicht einmal der Koloss?
Stahlkugel gefüllt mit Steinen
Der Augapfel vom Koloss von Rhodos? Gefängnis für Steine damit sie nicht weglaufen?

Die Händler am Hafen von Rhodos tun alles, um die Legende am Leben zu erhalten, denn mit einer guten Geschichte kann man die original griechischen Souvenirs aus chinesischer Produktion leichter unter die Touristen bringen.

Touristenboot am Hafen von Rhodos
Der Hafen von Rhodos zieht kolossale Touristenmassen an
Ein Touristenshop in Rhodos
Alles, was das Touristenherz begehrt. Oder auch nicht.
Die Rittergasse in Rhodos
Licht und Schatten in der Rittergasse von Rhodos

Dass die Griechen ein geschäftstüchtiges Völkchen sind, ist ja allseits bekannt. Aber wie gewieft sie wirklich sind, kann man im Bergland von Rhodos sehen. In anderen Ländern würde man von einer Insektenplage sprechen und versuchen, mit Pestiziden das Problem einzudämmen. Aber die Griechen ziehen einfach einen Zaun um das befallene Gebiet, nennen es werbewirksam „Tal der Schmetterlinge“ und verlangen Eintritt. Clever!

Baum mit tausenden Schmetterlingen
Man sieht den Baum vor lauter Schmetterlingen nicht

Wie auf den meisten Mittelmeer-Inseln spielt sich das Leben auf Rhodos überwiegend in Küstennähe ab. In der Nebensaison findet man hier trotzdem problemlos einsame Strände.

Zelt am einsamen Strand
Wir sind allein, allein…

In den Bergen findet man dagegen wenig. Ein paar malerische Klöster und ein Geisterdorf aus der italienischen Besatzungszeit. Wegen irgendwelchen unklaren Zuständigkeiten verfallen die Gebäude seit Jahrzehnten.

Griechische Kapelle
Innenhof eines Klosters in den Bergen
Griechische Kapelle
Noch eine Kapelle
Verfallendes Gemäuer
Verfallende Häuser mitten in den Bergen
Verfallendes Gemäuer
Der Zahn der Zeit nagt am Gemäuer

Die weißen Häuser von Lindos kleben an einem Hang unter der Akropolis. Der Ort wäre eigentlich wunderschön, wenn nicht der Massentourismus wäre. Jeden Abend ertrinkt das Dorf in den Fluten der Touristen, die sich in die engen Gässchen ergießen, in denen jeder Winkel für eine Boutique, ein Restaurant oder einen Souvenirladen genutzt wurde. Da die Gassen zu eng für Autos sind, werden lauffaule Touristen mit Eseltaxis befördert. Damit die störrischen Tiere etwas umgänglicher werden, bekommen sie statt Wasser Coronabier verabreicht.

Eseltankstelle mit Eimer
Eseltankstelle: Bleifrei mit Schuss
Blick auf Lindos unterhalb der Akropolis
Die Akropolis thront über Lindos. Also, nicht „die“ Akropolis; eine Akropolis.
Gasse in Lindos am Abend
Eine der wenigen Gassen in Lindos ohne Souvenirshop

Die Tsambika-Kapelle liegt auf einem Hügel über dem gleichnamigen Strand und wirkt angeblich Wunder. Die dortige Madonna erfüllt Frauen ihren Kinderwunsch, allerdings nur, wenn sie die dreihundert Stufen auf den Knien nach oben rutschen. Dann aber mit Garantie. Die Legende berichtet von einer absolut unfruchtbaren Frau, die eine Woche lang in der Kapelle auf dem Hügel geschlafen hatte und als Schwangere wieder ins Tal hinabstieg. Wer sich mit der menschlichen Fortpflanzung etwas auskennt, kommt rasch auf den Gedanken, dass der benachbarte Mönch irgendwie auch eine Rolle gespielt haben könnte.

Treppe zur Tsambikakapelle
Die Treppe zur Fruchtbarkeit. 100 geschafft, noch 200 bis zur Empfängnis.
Kapelle von Tsambika
Hier wird das Wunder vollbracht
Blick von der Tsambikakapelle
Aussicht von der Kapelle der Fruchtbarkeit
Blick auf den abendlichen Tsambika Beach
Sonnenuntergang über den Bergen
Romantische Abendstimmung – wer da nicht schwanger wird, dem ist nicht mehr zu helfen.

Ich bin zwar nicht abergläubisch, aber trotzdem sorge ich dafür, dass die SinnlosReisende vor Einbruch der Nacht diesen Ort verlässt. Nur zur Sicherheit. Andererseits könnte man die romantische Umgebung nutzen, um ein bisschen Pepp ins Liebesleben zu bringen. Man könnte zum Beispiel…

„Ähm, Text-Aufzeichnung beenden! Geschichte speichern!“

Urlaub bei den Hottentotten

Als Kind hatte ich lange Zeit Mitleid mit diesem geheimnisumwitterten Volk. Denn immer wenn in meinem Zimmer die Unordnung apokalyptische Züge annahm, sagte meine Mutter: „Hier sieht’s aus wie bei den Hottentotten!“

Musikkapelle zur Erheiterung von Touristen an der Uferpromenade

Der letzte Teil unserer Südafrika-Reise führte uns von Port Elizabeth über die Garden Route bis nach Kapstadt. Während im Nordosten des Landes das Autofahren weitgehend von Schlaglöchern dominiert wurde, erinnerten die Straßen hier eher an amerikanische Highways. Die Garden Route hat ihren Namen von den klimatisch günstigen Bedingungen, die zu einer unglaublichen botanischen Vielfalt führen. Hier wächst alles eine Nummer besser, von Kapstachelbeeren über den ausgezeichneten Wein bis zu namenlosen Blumen.

Wuchernde Blütenpracht

Am Strand von Cape St. Francis legt die örtliche Behörde viel Wert auf Ordnung. Nicht mal atomaren Müll darf man hier entsorgen. Etwas kleinlich für meine Begriffe, aber andere Länder – andere Sitten.

Eigenwillige Verbote
Leuchtturm am Strand

In Knysna haben die Gezeiten eine große Bucht ins Land gegraben. Bei Flut steht hier alles unter Wasser, aber bei Ebbe entsteht ein begehbarer Matschteppich, aus dem die Einheimischen riesige Würmer als Köder zum Angeln ziehen. Man sollte allerdings rechtzeitig wieder auf sicheres Land klettern, bevor das Wasser zurück kommt.

Die Bucht von Knysna kurz vor Ebbe
Endloser Matsch

Ganz in der Nähe gibt es eine gut versteckte Abfahrt von der Hauptstraße, die über eine Schotterpiste bis zu einem Parkplatz führt. Dort beginnt der Abstieg über eine Treppe zum Noetzie Beach, einem der schönsten Strände hier in der Gegend. Die mühsame Anreise lohnt sich, denn hierher kommen nur wenige Touristen. Die meisten verirren sich in dem benachbarten Township und kommen nie wieder heraus.

Licht am Ende des Tunnels – die Treppe zum Noetzie Beach
Noetzie Beach – ein abgelegenes Stück Paradies
Abendstimmung nach einem Tag am Strand

Der letzte Abschnitt unserer Reise führte uns an die Südspitze Afrikas, in die Heimat der Hottentotten. Es gibt keine verlässlichen Berichte über ihren Ordnungssinn, aber an die Zustände in meinem Jugendzimmer kamen sie sicher nicht heran. Sie lebten zweitausend Jahre lang friedlich als Viehhirten, bis die Buren kamen und meinten, dass das Land eigentlich ihnen gehöre. Als Begründung reichte ihnen, dass sie die besseren Waffen hatten. So lief das viele Jahrhunderte lang, wenn Europäer ein fremdes Land entdeckten. Wenn die Bewohner wehrhaft waren, versuchte man Handel mit ihnen zu treiben. Wenn sie militärisch unterlegen waren, wurden sie erobert und bekamen die Errungenschaften der zivilisierten Welt geschenkt, beispielsweise Linksverkehr. Zum Ausgleich durften die Unterlegenen für die Kolonialmacht als Sklaven arbeiten.

In Kapstadt kommt man an einem Besuch des Tafelbergs kaum vorbei, zumindest wenn das Wetter mitspielt. Sportliche Zeitgenossen können die Wand zu Fuß besteigen, man kann aber auch die Seilbahn nehmen. Als mir klar wurde, dass diese Bahn 1929 erbaut wurde und ohne Stütze 1200 Meter überbrückt, wurde mir etwas mulmig. Zum Glück wurde die Anlage von der renommierten Firma Doppelmayr kürzlich erneuert und mit einer 360 Grad Drehkabine ausgestattet. Von oben hat man herrliche Aussichten auf das umliegende Land.

Über den Dächern von Kapstadt
Magische Momente
Blick vom Tafelberg in Kapstadt

Die Strände sehen verlockend aus, haben aber trotz der warmen Luft eine recht erfrischende Temperatur. Das Wasser ist so kalt, dass man hier sogar Pinguine findet, die aus der nahen Antarktis auf Sommerurlaub herüberschwimmen.

Gut gekleidete Strandbesucher

Über den Chapman’s Peak Drive fuhren wir zum Kap der Guten Hoffnung. Unterwegs gab es massenweise tolle Landschaften im Sonderangebot.

Wilde Küste am Südzipfel Afrikas
Das Haus am Meer
Chapman’s View Point

Unterwegs besuchten wir eine Straußenfarm. Wirklich gefährlich sind diese Riesenvögel nur, wenn man ihre Sprache nicht spricht.

Brandgefährliche Kampfvögel
Der Straußenflüsterer

Das Kap der Guten Hoffnung am südwestlichsten Zipfel Afrikas bekam seinen Namen vom portugiesischen König Johann II., der darauf hoffte, endlich den Seeweg nach Indien entdeckt zu haben. Die Seefahrer nannten das steile Kliff lange Zeit „Sturmkap“, denn hier treffen die kalten Wasser des Atlantiks auf die warmen Strömungen des Indischen Ozeans und sorgen für unberechenbare Winde, die so manches Schiff auf die spitzen Riffe unter der Wasseroberfläche drückten. Dann blieb den Gestrandeten nur noch die Hoffnung, dass in den nächsten Jahren wieder eine Expedition vorbei kam. Dem Kletterer bleibt die Hoffnung, dass der Absturz weich endet.

Ein letztes Bild vom Kap der Guten Hoffnung zum Abschied