Kulturschock in Delhi

Unser zweiter Tag in Delhi: Hakenkreuze im Hindutempel, Aliens in der Moschee und ein größenwahnsinniges Grab. Außerdem: ein Bericht über die fiesen Methoden der indischen Taxifahrer mit Gegenmaßnahmen.

Hakenkreuze im Birla Mandir

Nach einem reichhaltigen Frühstück mit leckerem Poha (das ist plattgeklopfter Reis mit Gewürzen und gerösteten Erdnüssen) machten wir uns mit frisch geputzten Schuhen auf den Weg zum Birla Mandir. Dieser Hindutempel wurde 1939 von Mahatma Gandhi unter der Bedingung eingeweiht, dass Menschen jeder Religion und aus allen Kasten ihn besuchen dürfen. Sehr löblich und damals überhaupt nicht selbstverständlich.

Birla Mandir Hindutempel
Birla Mandir

Von außen sieht der Tempel mit seiner gelben Fassade und den rostroten Türmchen ganz ansprechend aus. Die Innenräume sind auf den ersten Blick ziemlich schockierend: überall hängen Hakenkreuze an den Wänden. Das wirkt erstmal ziemlich befremdlich, aber die Swastika ist seit Jahrtausenden in der hinduistischen Mythologie ein Symbol für Glück, lange bevor die Nazis es für ihre Propaganda missbrauchten. Im Inneren des Tempels herrschte schon wieder strenges Fotografierverbot und diesmal fand ich kein Fotoarchiv auf der Website. Ist vielleicht auch besser so, denn Fotos mit Hakenkreuzen führen schnell zur Sperrung eines eigentlich harmlosen Blogs.

Aliens in der Jama Masjid

Mit der Metro fuhren wir zur Jama Masjid, der größten Moschee Indiens, in der mehr als 25.000 Gläubige Platz finden. Um zum Eingang zu gelangen, muss man sich aber erstmal durch einen riesigen Markt wühlen, auf dem sich so viele Menschen drängen, dass es immer wieder zu Rangeleien um die letzten Sauerstoffatome in der Atemluft kommt. Delhi hatte sich schon 2014 den Titel der Stadt mit der größten Luftverschmutzung der Welt erkämpft und diese Gegend war die Mutter der verpesteten Luft.

Markt vor Jama Masjid
Wimmelbild

Die Willkommenskultur in dieser Moschee war etwas sonderbar: ein Uniformierter bedrohte die SinnlosReisende zur Begrüßung mit einem Rohrstock. Sie hatte es gewagt, schon mal auf das Eingangstor zuzugehen, während ich noch am Ticketschalter stand. Als sie auf das dünne Männlein herabschaute, das laut zeternd in einer unverständlichen Sprache auf sie einschimpfte, bildete sich auf ihrer Stirn diese senkrechte Furche, von der ich aus eigener Erfahrung wusste, dass sie Unheil ankündigte. Kurz bevor die SinnlosReisende diese Rumpelstilzchen-Parodie aus seinen Sandalen schlagen konnte, kam ich mit den Tickets und die Situation entspannte sich.

Jama Masjid Eingang
Jama Masjid

Die Moschee selbst ist trotz ihrer Größe eher unspektakulär. Die Hauptattraktion waren an diesem Tag zwei exotische, fremdartige Aliens, die gerade erst mit ihrem Raumschiff gelandet waren. Zumindest fanden das die Einheimischen und machten schnell ein paar Schnappschüsse.

Jama Masjid Innenhof
Bitte mal lächeln
Jama Masjid Innenhof
Wir fallen hier auf
Gruppenfoto in der Jama Masjid
Fotoshooting
Sinnlosreisender auf der Treppe
Suche den Fehler: Einer passt nicht hierher

Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man ganz alleine so anders aussieht als alle Anderen, zumal manche der Umstehenden uns ganz unverhohlen anstarrten. Ein paar Mutige fragten uns, ob wir mit ihnen für ein Foto posieren würden. Nach einer Weile bildete sich hinter uns eine Schlange mit Leuten, die auf ein Fotoshooting mit uns warteten. Irgendwann mussten wir die Flucht ergreifen, denn wir wollten noch ein Taxi zu Humayun’s Tomb nehmen.

Taxi fahren in Indien

Als Tourist in indischen Großstädten mit dem Taxi zu fahren, macht ungefähr so viel Spaß wie entzündete Hämorrhoiden. Es ist einfach nur ein „pain in the ass“. Um zu Beginn etwas Positives zu sagen: die allermeisten Taxifahrer sind ausgezeichnete Autofahrer und pflegen einen virtuosen Umgang mit der Hupe. Ich hatte ja schon beschrieben, dass Verkehr in Indien ein verlustreicher Krieg ist. Die Taxifahrer sind die Berufssoldaten, die Söldner, die Legionäre auf diesem Schlachtfeld. Ihre Manöver lassen sich allerdings nicht immer mit den Grundsätzen der deutschen Straßenverkehrsordnung vereinbaren. Am besten, man schaut nicht aus dem Fenster und vertraut auf ihre Fahrkünste.

Verkehr in Delhi
Mit dem Taxi mitten durchs Gewimmel

Leider werden Touristen von indischen Taxifahrern nicht als Kunden, sondern als Opfer betrachtet, die man so richtig ausnehmen kann. Wir haben kein einziges Taxi gesehen, bei dem das Taximeter funktionierte. Bei der Preisverhandlung werden zu Beginn vier- bis fünffach überhöhte Preise genannt. Selbst wenn man nach harten Verhandlungen einen einigermaßen fairen Preis vereinbart hat, ist man vor Überraschungen nicht sicher. Gängige Argumente beim Bezahlen sind:

  • der vereinbarte Preis galt pro Person, bei zwei Fahrgästen verdoppelt er sich
  • das Gepäck kostet noch einen Zuschlag
  • irgendeine Mehrwertsteuer, City Tax, Autobahngebühr, Flughafengebühr, Lizenzgebühr oder Touristentaxe kommt noch zum vereinbarten Preis dazu
  • der Fahrer nennt einfach einen höheren Preis als beim Losfahren und versteht auf einmal kein Englisch mehr
  • es wird teurer, weil wegen einer Sperrung ein Umweg erforderlich war
  • der vereinbarte Preis war der Tagespreis, nach Einbruch der Dämmerung kommt der Nachtzuschlag dazu
  • Der Fahrer braucht noch ein Geburtstagsgeschenk für seine Frau
  • Der Fahrer verrechnet sich in der Hektik beim Wechselgeld (immer zu seinen Gunsten)
  • und natürlich der Klassiker für Leute, die nur große Scheine aus dem Geldautomat gezogen haben: „sorry, I have not enough change“.

Bei solchen Tricks ist die wirksamste Gegenmaßnahme, passend den vereinbarten Betrag zu bezahlen und einfach einen Abgang zu machen. Die Preisverhandlungen sind nervig, aber viel schlimmer ist, dass man sich nie darauf verlassen kann, direkt ans gewünschte Ziel gebracht zu werden. Viele Fahrer verdienen sich nebenher eine Provision, wenn sie ihre Fahrgäste in einem Teppichladen, einem Schmuckgeschäft oder bei einem Schneider abliefern „Just look, you don’t have to buy“. Und manchmal landet man ganz woanders, wie unsere Gruppe 3 in Agra erleben musste. Statt zum „Taj Mahal Viewpoint“ brachte der Tuk-Tuk-Fahrer sie zum „Taj Mahal View Hotel“, das fünf Kilometer in der entgegengesetzten Richtung lag. Alle Interventionsversuche, sogar mit Routenplaner auf dem Handy, scheiterten am beharrlichen „I know, I know, trust me!“ des Fahrers.

Die besten Waffen gegen die unlauteren Methoden der Taxifahrer sind Uber und Ola. Bisher hatte ich diese Apps für überflüssig gehalten, denn wozu braucht man Privatfahrer, wenn es einen ganzen Berufszweig gibt, der Menschen professionell befördert? Aber in Indien waren diese Apps unsere Rettung. Man gibt einfach das Ziel ein und der Algorithmus rechnet den Komplettpreis aus und sucht nach einem Fahrer in der Nähe. Sobald Jemand die Fahrt annimmt, erfährt man sein Kennzeichen und beide erhalten eine Pin. Dann kann man live mit GPS beobachten, wie der Fahrer näher kommt. Wenn man am Ziel angekommen ist, wird die Bezahlung ohne Diskussionen abgewickelt und man gibt eine Bewertung ab. Fertig.

Das Grab von Humayun

Wie bitte, wer? Humayun? Nie gehört. So war bestimmt auch deine erste Reaktion. Zum Glück gibt es diesen Blog, der alle möglichen Wissenslücken sofort schließt. Gern auch mal mit nutzlosem Wissen, aber egal, Hauptsache das Loch ist zu und bleibt dicht.

Details kannst du auf der Unesco-Welterbe-Seite selbst nachlesen. In Kürze: Humayun war im 16. Jahrhundert ein bedeutender Herrscher aus der Mughal-Dynastie. So bedeutend, dass seine Frau und sein Sohn ihn nicht einfach nur auf dem städtischen Friedhof von Delhi beerdigten, sondern ihm ein größenwahnsinniges Mausoleum errichteten. Inklusive einer zehn Hektar umfassenden Gartenanlage, die dem islamischen Paradies nachempfunden war. Also nicht gerade ein Ausdruck von Bescheidenheit, aber auch heute noch schön anzusehen.

Humayun's tomb Delhi
Humayun’s Tomb
Humayun's tomb aus der Nähe
Als Grab etwas überdimensioniert
Da liegen sie im Tode vereint: Vater, Mutter, Sohn
Humayun's tomb Aussenansicht
Die Rasenfläche im Vordergrund ist eine von 36 in dieser Anlage
Gartenanlage Humayun's tomb
Ein Pavillion im Quadrant Nr. 27 des Gartens

Brauchst du noch ein paar nutzlose Fakten? Dann nimm dies: In Indien leben über 1,4 Milliarden Menschen. Wenn jeder Inder sich ein Grab wie Kollege Humayun leisten würde, bräuchte man dafür eine Fläche von 140 Millionen km2. Damit wäre die gesamte Landfläche der Erde (ohne Antarktis) komplett mit Grabmalen bedeckt. Gut, dass sich in Indien die platzsparende Feuerbestattung durchgesetzt hat.

Humayun’s Tomb war übrigens das erste Grabmal in einer ganzen Serie von Monumentalbauten, die im Taj Mahal ihren Höhepunkt fand. Und genau dorthin führt uns der nächste Abschnitt unserer Reise. Bis bald.

Autor: sinnlosreisen

Skurille Reiseerlebnisse zum Lachen

37 Kommentare zu „Kulturschock in Delhi“

  1. Wenn man die angenommene Würde etwas zu sehr nach außen darstellen muß, kommt so was heraus. Herrscher im eben immer noch fremden Land… Wäre es nicht hübscher gewesen, so einen Garten für die Lebenden anzulegen? Aber da hat man sich sicher auch nicht lumpen lassen.

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  2. Stimmt, liebe Irene. Sind gerade in Pune immer per UBER gefahren. Als erste Option (und günstigste) kommt meisten „UBER Auto“ (Auto = Auto-Rikshaw). Das Verkehrsabenteuer indischer Städte ist nur einen App-Klick entfernt 🙂

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    1. Indien hat sich technologisch sehr entwickelt. Inzwischen bekommst du fast alles über Apps. Bei Instamart kann ich beispielsweise per App ganz einfach bestellen, was ich brauche und in 15 Minuten wird bereits geliefert. Oft schaffen sie es sogar in 10 Minuten. Ich staune jedesmal aufs Neue! Oder nun kannst du auch per App Dinge von A nach B Bringen lassen. So habe ich grade neulich meiner Freundin, die rund 45 Minuten von mir entfernt wohnt, ihr Geburtstagsgeschenk bringen lassen. Das ging Ruckzuck- für 150 Rupees!

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    1. Das ist ja eine sehr interessante Geschichte und eine sehr sympathische Kultur! Aber extrem verwirrend für Touristen, die aus anderen Ländern auf Selbstverteidigung getrimmt sind.

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      1. Ich habe im Iran auch bis zum letzten Tag Fehler gemacht, die mir natürlich erst viel später aufgefallen sind, weil einen niemand darauf hinweist.

        Aber es ist ein angenehmes Land für Reisende, weil man echt nicht abgezockt wird.
        Ich hatte einmal einen Taxifahrer, der kein passendes Restgeld hatte (das kennt Ihr ja 😉 ). Aber weil er mich zum Flughafen in Schiras gefahren hatte, schlug er vor, ich solle schon mal reingehen, mein Gepäck aufgeben, und wenn ich noch genug Zeit hätte, solle ich den Geldschein in kleine tauschen und wieder raus kommen. Er würde solange warten, ohne Mehrkosten natürlich. Er sagte noch: „Es ist ja früh am Morgen, ich hätte jetzt sowieso keine anderen Fahrten.“

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          1. Daraus könnte man eine lustige Fernsehserie machen. „Zwei Schwaben schnorren sich durchs Zweistromland.“

            (Ja, ich weiß, Zweistromland ist eigentlich der Irak. Aber es klingt so schön.)

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  3. Das mit den Taxipreisen ist für mich immer ein guter Test, um zu sehen, ob/wann man als Einheimischer akzeptiert wird.

    In Bolivien habe ich zB anfangs immer nach dem Preis gefragt, an den sich die Fahrer auch meist gehalten haben. Nachdem ich den Preis für eine bestimmte Strecke schon kannte, habe ich einfach mal ein Taxi auf der Straße angehalten und gesagt „zum Flughafen, bitte“. Ohne irgendwelche Preisverhandlungen.
    Und tatsächlich wollte der Fahrer am Ende nur den Preis, den alle anderen vorher zugesagt hatten. Da dachte ich mir: „Jetzt hab ich’s geschafft! Mein Spanisch ist so gut, dass ich als Bolivianer durchgehe.“ Aber vielleicht sind die Leute dort einfach immer und zu allen nett.

    Was mir allerdings auffiel: Junge Taxifahrer waren teurer als ältere.

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  4. Oh wie schön, ich kann das alles so schön nachempfinden. Danke. Vielleicht sollte ich doch noch mal Teile meiner Indien-Tagebücher hier veröffentlichen.
    Mal kieken

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  5. Die ungewohnten Fotoshootings, die Taxidramen, die kuriosen Argumente und Ausreden, das Gewimmel, die Hupe als die Sprache, die von allen gesprochen und verstanden wird – danke für den Flashback, den du mir mit diesem wie immer großartigen Beitrag verpasst hast. Lautes Gelächter inklusive!

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    1. Gern geschehen😏. Manche unterstellen mir Übertreibungstendenzen. Ich habe einen Freund, der in Delhi aufgewachsen ist, gefragt, wie er als Insider meine Berichte findet. Antwort: Ja, genau so ist es dort.

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