Für eine richtige Geschichte war unser Wochenend-Trip durch Franken zu kurz, aber ein paar sinnlose Eindrücke möchte ich meinen Lesern nicht vorenthalten.
Fränkische Kultur
Gastfreundschaft und eine Sprache mit rollendem R prägen die Frrrängische Guldurrr. Deftiges Essen mit Kalorien-Flatrate und der süffige Frankenwein tragen zu einem fröhlichen Miteinander bei. Es gibt hier Schäufele mit Sauerkraut, Gänsebraten mit Specksoße und Blaue Zipfel, eine Art in Essig gekochte Rostbratwürste. Trinken und Essen sind folgerichtig häufige Motive in der regionalen Kunstszene.




Würzburg
Würzburg ist eine quirlige Stadt mit einer gelungenen Mischung aus historischen Gebäuden und Studentenleben. Auf der alten Mainbrücke trifft man sich, um in der Abendsonne ein Gläschen Wein zu trinken. Oder zwei.



Auf einem Hügel über der Stadt thront die Festung Marienberg. In früheren Zeiten war hier offenbar eine Tierarztpraxis untergebracht, wenn ich die Fresken richtig deute. Heute setzt man auf Innovationskraft und experimentiert mit nachwachsenden Rohstoffen.




Einzelkind oder Geschwister?
Einzelkinder hatten lange Zeit keinen guten Ruf bei Entwicklungspsychologen. Zu verhätschelt und leicht zum Egoismus neigend, wurde vermutet. Inzwischen ist das Bild gekippt und Einzelkinder nennen sich selbstbewusst Alleinerbe. Wer noch weitere Argumente gegen Geschwister sucht, wird im Park der Würzburger Residenz fündig.








In der Stadt wimmelt es von Bars und Restaurants, in denen man nach dem kulturellen Gelatsche seinen Durst löschen kann. Fazit der SinnlosReisenden zu Würzburg: Immer einen Besuch wert.

Bamberg
Sind Bamberger unfreundlich? Das wäre natürlich eine unzulässige Verallgemeinerung, engstirniges Schubladendenken, fast schon eine Beleidigung. Politisch korrekt muss es heißen: Wir haben bei unserem Besuch in Bamberg eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Menschen getroffen, die auf uns unfreundlich wirkten. Oder zumindest verschlossen. Verschroben. Eigenartig. Aber macht euch selbst ein Bild:





Dabei können die Bamberger durchaus zufrieden sein mit ihrer Stadt. Ein wunderschönes Rathaus, eine deftige Gastronomie und historische Sehenswürdigkeiten an allen Ecken. Nur ihre Löwen hätten sie besser füttern sollen.




Rothenburg ob der Tauber
Nur fünfzig Kilometer südlich von Würzburg liegt einer der skurrilsten Orte Deutschlands: Rothenburg ob der Tauber.

Die ganze Stadt sieht aus wie ein Drehort für eine Serie, die im Mittelalter spielt. Hier gibt es ein ganzjährig geöffnetes Fachgeschäft für Weihnachtsbedarf. Durch persönliche Beratung findet man den passenden Nussknacker für jeden Anlass und kann aus einer unglaublichen Menge von sinnloser Weihnachtsdeko auswählen.

Selbstverständlich wird der Einkauf weltweit versandt, gerne auch nach Asien. Und weil es so schön passt, werden hier auch gleich Original Schwarzwälder Kuckucksuhren verkauft. Ein Blick auf die Deutschlandkarte macht klar, dass Franken definitiv nicht mal in der Nähe des Schwarzwalds liegt. Deshalb gibt es dazu auf diesem Blog ja auch einen eigenen Bericht. Aber wenn man aus China oder Japan anreist, sind das wahrscheinlich geografische Haarspaltereien.

Ein weiteres Kleinod in Rothenburg ist das mittelalterliche Kriminalmuseum. Hier wird die Entwicklung der Rechtsprechung im Lauf der Jahrhunderte behandelt. Ein Schwerpunkt liegt auf den Methoden der Wahrheitsfindung (sprich Folterwerkzeuge), wobei sich die katholische Kirche mit extremer Kreativität einen internationalen Spitzenplatz sicherte. Die Kirche ist noch heute so sehr von ihrer Kompetenz in kreativer Wahrheitsfindung überzeugt, dass sie auf die Unterstützung von Polizei und Staatsanwaltschaft bei der (Nicht-) Aufklärung von Missbrauchsfällen komplett verzichtet. Quasi Transparenz mit blickdichten Mauern. Erstaunlich, dass so etwas im 21. Jahrhundert noch möglich ist.
Man darf im Museum nicht fotografieren, aber in einem Satz zusammengefasst: Ich bin froh, dass ich heute und in einem Rechtsstaat lebe.

Das Brandstifter-Seminar
In der Nähe von Bamberg, allerdings schon weit draussen auf dem Land, wird eine schöne Tradition gepflegt: Einmal im Jahr werden hier die Kinder zu Brandstiftern ausgebildet. Den ganz Kleinen hält der Papa die Fackel, damit sie nicht versehentlich das Schwesterchen anzünden, aber die meisten sind schon ganz routiniert. Und die Feuerwehr schaut zufrieden auf die Nachwuchszündler, die eine stabile Auslastung der Löschzüge über die nächsten Jahre sichern.


Jedes dieser Feuer setzt etwa 2.000 kg CO2 frei, je nach Größe des Holzstapels. Dafür benötigt ein gestandener SUV mit kräftigem Dieselmotor ein ganzes Jahr *. Bevor sich jetzt Jemand aufregt – das ist halt Tradition. Da kann man nichts machen. Man nennt das in katholisch dominierten Gegenden Johannisfeuer, in heidnischen Gebieten auch Sonnwendfeuer. Und es sieht ja auch schön aus. Und es hilft angeblich gegen misswüchsige Kinder, Ernteausfälle und Hagelschäden, sagt Wikipedia. Ich würde mich da aber nicht drauf verlassen.

* Den CO2-Ausstoss kann jeder selbst abschätzen: 100 Holzbalken mit 3 Meter Länge und einem Querschnitt von 7 x 10 cm ergeben bei einer Holzdichte von 500 kg/m3 ein Gewicht von 1.050 kg. Aus einem kg Holz entstehen: ein Häufchen Asche, Wärme und 1,8 kg CO2, weil sich jedes Kohlenstoffatom mit zwei Sauerstoffatomen aus der Luft verbindet. Macht also 1,9 Tonnen CO2, wenn der Stapel abgebrannt ist. Ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor erzeugt ca. 130 Gramm CO2 pro km (Schau mal in deinem Fahrzeugschein nach!). Das macht bei 15.000 km im Jahr ebenfalls 1,9 Tonnen Treibhausgas.
Klasse Eindrücke (und die Fotos dazu). Stimmt, Franken hat alles für Sinne und Geist. Und die Übungs- oder Osterfeuer als Umweltbelastung, das sage ich schon lange (Deine Zahlen verwende ich ab jetzt bei „Tischgesprächen“). Machs gut.
LikeGefällt 2 Personen
Freut mich, wenn es dir gefällt. Tja, und die CO2-Zahlen: ich finde es halt wichtig, dass sich jeder bewusst macht, wieviel manche Gewohnheiten ausmachen. Entscheiden kann man dann immer noch so oder so, aber dann halt bewusst.
LikeGefällt 1 Person
Mir gefällt dein Reisebericht – und deine geschichtshistorisch bedeutsamen Anmerkungen 🙂👍
LikeGefällt 1 Person
Danke 🙂
LikeGefällt 1 Person
Danke für die Eindrücke, ganz schon dicke Kinder da, muss ich mal sagen. Aber kein Wunder bei diesem Essen.
LikeGefällt 1 Person
Babyspeck hält sich bei guter Ernährung ziemlich lange 😀
LikeLike
Mir wurde nicht zu viel versprochen als vor ein paar Wochen auf meinem Blog kommentiert wurde, dass da jemand genau das gleiche Bild von einem Stuhl gemacht hat 😉 Das Fotografierverbot habe ich wohl immer gekonnt übersehen 😉
LikeGefällt 2 Personen
Ich hab es auch übersehen bis ich darauf hingewiesen wurde. Von der Inquisition. 😂
LikeGefällt 2 Personen
Dann hatte ich ja Glück, dass ich von der Inquisition verschont wurde 😂
LikeGefällt 2 Personen
Ich bin mal beim Trampen per Zufall in Rothenburg gelandet – https://andreas-moser.blog/2021/05/27/autostoeppeln-3/ -und war positiv überrascht, weil ich ein total verkitschtes deutsches Disney-Städtchen erwartet hatte.
Aber so war es nicht. Gut, es gibt den Weihnachtsladen, und klar sind eine Menge Touristen da. Ich fand jedoch, dass Rothenburg den Kleinstadtcharakter ganz gut erhalten hat. Es gibt keinen McDonalds oder Benetton oder was immer sonst überall hin will, wo viele Touristen kommen.
Der Gemischtwarenladen in der Altstadt war auch ganz urig und familiär. Und selbst der Döner war nicht teurer als anderswo. Sowohl im Park als vor den Kneipen sah ich auch ganz normale Leute sitzen, so alte Rothenburger im Unterhemd. Sympathisch.
LikeGefällt 1 Person
Ja stimmt, da leben ganz normale Leute.
LikeLike
als halbe Fränkin sag ich jetzt mal nix, aber:
Kennst Du das Buch von Wassili Golowanow: Die Insel oder Rechtfertigung des sinnlosen Reisens. ? Bei Matthes& Seitz, wird quasi verramscht, will wohl sonst keiner kaufen…
LikeGefällt 1 Person
Nein, das Buch kenne ich nicht. Kannst du es empfehlen?
LikeGefällt 1 Person
naja, fängt schon ziemlich schräg an, zitiert u.a. Borges, Blaise Pascal, Marco Polo, ist wohl 2002 in Moskau zuerst erschienen, über 500 Seiten…Reise zu einer „freudlosen“ Insel, eiskalt aber ölreich, deshalb bald verwüstet, Kolgujew in der Barentsee…
LikeGefällt 1 Person
Ok, das klingt interessant. Kommt auf meine Leseliste. Danke für den Tipp
LikeGefällt 1 Person
Freilich, das Bamberger* Rauchbier solte man in einem stillen, dunklen Keller trinken. Und nicht wie den Wein der wärmeren Maingegenden im Sonnenschein. Während Rothenburg ja tatsächlich von seiner gewollten Künstlichkeit einschließlich eindeutig nicht regional produzierter Kuckucksuhren lebt. Fachwerk und Türme kann man übrigens auch in anderen Städtchen einsammeln, halt vielleicht nicht in der Dichte…
*Der berühmte dortige Reiter war wohl grad unterwegs?
LikeGefällt 1 Person
Der Reiter war tatsächlich zuhause im Dom, aber da man ja bis heute nicht weiß wer das sein soll, habe ich auf weitere blasphemische Spekulationen verzichtet. Habe so schon genug Ärger mit der Inquisition 😉
LikeLike
Ja, die Frrrangen, immer wieder ein Quell der Freude! Ich habe Freunde dort (teils Ureinwohner, teils Zugezogene) und kenne die Gegend recht gut. Sehr charmant finde ich auch, dass sie lieber AUF als IN den Keller gehen. Hängt natürlich nicht unwesentlich mit dem von dir geschilderten Hang zu Kulinarischem in flüssiger und fester Form zusammen.
Deine Theorie bzgl. der früheren Nutzung der Festung als Tierarztpraxis klingt einleuchtend und hat mich restlos überzeugt. Das Gleiche gilt für deine Ausführungen zum Thema Geschwisterliebe. Wirklich pädagogisch sehr wertvoll, dass dem im Park der Residenz so eindrücklich Rechnung getragen wurde. Da hat endlich mal einer mitgedacht! Sagt Einzelkind Elke 😇.
Deine Erfahrungen mit der Unfreundlichkeit der Bamberger sind natürlich bedauerlich. Für euren nächsten Abenteuertrip ins Frankenland kann ich dir ans Herz legen, nur mit jenen Kreaturen in näheren Kontakt zu treten, die einen weniger versteinerten Eindruck machen.
Richtig heißgemacht hat mich dann deine Erwähnung des Brandstifter-Seminars. Ich habe mir gleich einen Platz für die nächste Runde gesichert. Dann wird fröhlich abgefackelt!
LikeGefällt 1 Person
Da quillt doch Ironie aus deinen Zeilen, oder bilde ich mir das nur ein? An deinem Wording musst du aber noch feilen: nicht Einzelkind sondern Alleinerbin!
Zum Brandstifter-Seminar unbedingt früh anmelden, denn die Plätze werden nächsten Sommer knapp werden. Das meiste Holz wird vermutlich im Winter schon verheizt. 😇
LikeGefällt 1 Person
😁😇🥳
LikeLike